Archiv für Kategorie (fuck) economy

Schöne neue Konsumwelt

Früher™, als es ‚drüben’™ noch gab, gehörte zu den Standardsätzen, die mensch so zu hören bekam, dass es da ja ü-ber-haupt nichts gebe, die Leute stünden stundenlang an, wenn es mal ir-gend-was gebe usw. usf. und wie schön es doch ‚hier‘ ist, wo man sich alles kaufen kann.

Salvatorische Klausel: Dass die Planwirtschaft nicht funktioniert hat, wie es wünschenswert gewesen wäre, tatsächlich für vieles stundenlang angestellt werden musste, Läder öfter leer als voll waren – und verklärte Blicke auf positive Effekte des ganzen verkneife ich mir ganz -, das sei mal unbenommen.
Worum es mir geht, das wird jetzt schon klarwerden.

Heute also, 24 Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Sieg des Marktes über das Soziale (OOOK, Pathos aus… aber das denn eigentlich wirklich so viel Pathos?), blicke ich auch nicht tiefer, sondern muss einfach mal einen Rant ablassen, welch tolle Warenwelt uns (mir) jetzt so zur Verfügung steht.

Die Realität, die ich erlebe:
Statt eines staatssteuernden Kongresses steuert die Sales-Abteilung weniger quasi-Monopolisten aus der Riege so genannter ‚Vollversorger‘ die Möglichkeiten, was und zu welchen Konditionen ich mir kaufen kann. Mittlerweile neige ich zu Hamsterkäufen, falls ich mal ein Produkt wunschgemäß vorfinde, denn das wird sicherlich nicht von Dauer sein.
Vielleicht habe ich auch nur ein besonders unglückliches Händchen oder bin schlicht und ergreifend nicht massenkompatibel und stehe deswegen immer und immer wieder vor Regalen, in denen sich zwar ‚alles‘ in Hülle und Fülle ergießt, aber nicht das, was ich vorhatte, zu erwerben. Scheißegal bei welcher Kette oder was, ob Fertignahrung in Tüten, gefroren oder in Dosen; Handseife, Deoroller, oder Sojasauce: Hab ich Gefallen dran gefunden: Weg. Mitunter tatsächlich ohne Ausweichmöglichkeit

Das mag irgendwie schon auch Gewinsel auf Luxusniveau sein, aber da muss ich sagen: Jein.
Irgendwie ergibt sich kein Unterschied, ob ein Rudel Marketing-Fuzzis oder ein Zentralkomitée misswirtschaftet mit dem Endeffekt, dass ich mir etwas nicht kaufen kann.
Es gibt vielleicht auch theoretisch die Option, die Sachen noch woanders zu bekommen. Das wäre dann aber mit erheblichem zeitlichen und auch logistischen Aufwand, sprich auch Benzinverbrauch verbunden, und da sträubt sich dann meine grüne Ecke. Zumal man ja auch nicht von vornherein weiß, wenn man irgendwo auf die grüne Wiese zur Supermall fährt, ob man dann da auch die ‚Exoten‘ wirklich kriegt, oder auch nur das Standardsortiment nach Schema F.

Apropos Schema F: Das ist noch ein spezieller Punkt, der mich wirklich aufregt. Dass verschiedene Märkte verschieden groß sind: Klar. Dass man in kleineren Läden nicht alles anbieten kann, was man auch in größeren Läden anbieten kann: Auch klar. Aber dass sich in von der Größe her vergleichbaren Märkten des gleichen Konzerns das Sortiment dann deutlich unterscheidet, wenn sie sich in vermeintlich unterschiedlich strukturierten Stadtvierteln befinden, da geht mir der Hut hoch. Frei nach dem Motto: „Da wohnen eh nur Asoziale, da hauen wir nur ein Substandard-Programm raus.“

Stimmt schon: Wenn mir wirklich dran gelegen ist, muss ich nur etwas mehr Unbequemlichkeiten auf mich nehmen, und habe recht gute Chancen, dass ich dann auch kriege, was ich wirklich haben wollte.
Aber, und jetzt kommt doch eine verklärende ostalgische Legende ins Spiel: Gab es das nicht drüben™ auch, dass man auf einen Tipp hin weit gefahren ist, um sich ein selten erhältliches Gut zu beschaffen?

Und eines will mir auch nicht recht in den Kopf: Wie die Marketing-Abteilungen auf die Idee kommen, eine Kaufentscheidung hinge vor allem am Image der Marke, und nicht an pragmatischeren Überlegungen zu Preis, Preis-Leistung, Verfügbarkeit etc. pp. Mag wohl sein, dass es einen Teil der Bevölkerung gibt, bei der die Marke auch wesentlich zur Kaufentscheidung beiträgt – aber unterm Strich läuft da doch auch nur aufwändige Arbeitsbeschaffung für BWLer …

Ach und bei Verfügbarkeit sind wir ja dann auch wieder bei dem Punkt, über den ich mich hier ja eigentlich auslassen wollte: Produkt ist theoretisch auf dem Markt, wird vielleicht auch sogar so interessant beworben, dass ich mitkriege, dass es da theoretisch etwas zu kaufen geben könnte. Wo es nicht auftaucht, sind die Läden, die ich mit vertretbarem Aufwand besuchen kann. Ohne mich für besonders repräsentativ zu halten, aber das Ende vom Lied scheint mir oft genug zu sein, dass aufgrund der zu trägen oder gar zu statischen Bestelllisten der Ketten keine Umsätze mit dem neuen Produkt zustande kommen und es wieder vom Markt verschwindet. Ganz toll gelöst, wirklich. Aber womöglich gehört das auch nur zum Arbeitsbeschaffungskreislauf von Produktentwicklung, Vortest, Einführung, Umsatzanalyse und Einstellung.

Wundern würde mich das irgendwie nicht mehr.

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Die letzten Tage der Demokratie [Pathos enthalten]

“ @Dahonk: Was gerade in Frankfurt passiert, erinnert mich an die letzten Tage der DDR 1989. Danach brach das System zusammen.“

Von außen betrachtet, via Twitter und Livestreams von Teilnehmenden, wirkt der Donnerstag nur wie eine weitere Variante des (bekannten) Frankfurter Junkie-Jogging.
Nachdem alles verboten wurde, bilden sich wild aller Orten spontane Versammlungen, werden eingekesselt, bleiben friedlich und lösen sich auf.
Donnerstag erstmals passiert, der Kessel um die Versammlung von 500-1500 (Polizei/Aktivistenangaben) an der Paulskirche (!) wurde gelockert bis aufgelöst – allerdings gab es wohl inzwischen eine weitere Versammlung von rund 1000 Leuten am Römerberg. Zudem erscheint eine Stunde später plausibel, dass die Bullizei während der Pressekonferenz von Blockupy am Paulsplatz nicht allzu martialisch im Hintergrund erscheinen wollte.
Auch diverse Prominenz soll vor Ort sein, neben Lokal- und Landespolitikern freut mich am Allermeisten, dass Konstantin Wecker mal wieder einfach unbequem ist und mit den Menschen am Paulsplatz via Megaphon „Empört Euch“ singt.

So gibt es vllt. doch noch einen Rest Hoffnung.
Hoffnung auf eine nicht ganz so marktkonforme Demokratie, in der sich eine Stadt nicht allein aus Panik selbst lahmlegt um ihr selbstgemaltes Bedrohungsbild für notwendig zu erklären – denn wenn alles gesperrt wird und überall Bullizei war, dann wird das schon auch nötig gewesen sein, nicht wahr? Obschon sich bereits Mittwoch Abend von der komplett umstellten Hauptwache, von wo ein Rave nicht stattfinden durfte, befragte Passanten durchaus kritisch über … das Polizeiaufgebot äußerten, und nicht etwa über die halb hedonistisch, halb politisch motivierten Raver.
Keinen Anlass zur Hoffnung gaben hingegen die richterlichen Urteile, die sich offenbar rein auf die naturgemäß paranoide Einschätzung der Exekutive stützten. Je höher das Gericht, das auf diese Weise die ausgeübte Demokratie einer phantasierten Gefährdungssituation opferte, desto größer die Bestürzung. Am Ende entblödete sich nicht mal das Verfassungsgericht, ungestörte Marktabläufe auf Einkaufsmeilen und in Bankzentralen der Meinungsäußerung des Souveräns – wenn man ’s genau bedenkt – zu opfern. Aufgrund der selben unbewiesenen Gewaltvermutungen wie die Verwaltungsgerichte zuvor.

Umso schöner, dass selbst Einreiseverbote, unterbundene Anreise und permanente Einkesselungen die Menschen nicht davon abhalten, ihren Protest nach Frankfurt zu tragen und dort zu äußern. Verblüffend dabei auch, dass bislang noch keine der angekündigten Riots vollzogen wurden.
Kein Zweifel natürlich daran, dass die Staats-/Wirtschaftsmedien zwar mehrere Minuten über verhinderte Demonstrationen in … BAKU berichtet haben, aber bestenfalls wenige Sekunden über verbotene Demonstrationen im Inland.

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Nach wie vor KEIN Verständnis hab ich aber für Tweets wie diesen:
„Denkt und handelt bitte nicht in Feindbildern. Bleibt menschlich. Auch Polizisten sind Menschen. Sie sind Sklaven des Systems.“
Bullen sind auch nur Söldner. Noch wird keiner gezwungen den einen oder anderen Job anzunehmen. Ergo haben die den ihren auch freiwillig ergriffen und erzähle mir keiner, daran hätten sie nicht gedacht. Wenn sie nicht überzeugt vom Einsatz sind, sollen sie desertieren oder sich krankmelden. Wer den Beruf hat und heute in Frankfurt gegen die Demokratie eintritt, hatte die Wahl und ist dort freiwillig.

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Vorsprung durch Technik

Kühlsystemausfall und ausgefallene Stromversorgung … das kann man in Deutschland schon lange, und ganz ohne Erdbeben! Biblis z.B. ist da ganz groß. Auch die bedrohliche Situation mit erheblich übersteigertem Druck in der Anlage könnte da nicht auftreten, da man mit diversen Leckstellen vorgesorgt hat (Link geht mir grad ab, aber die Leckagen in Biblis sind ja sowohl Legion als auch legendär).

Das Perverseste ist noch, dass man sich weniger um die Frage „schmelzen sie oder nicht“ Sorgen machen muss, sondern um die kalkuliert-hysterischen Reaktionen ab morgen an den Finanzmärkten.

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War against people

Die Geschwindigkeit steigt.
Die Zahlen sind noch nicht draußen, allein das Getuschel gab in den letzten Tagen schon genug Anlaß zur Besorgnis, von den nicht in Zahlen benennbaren Bestandteilen der geplanten Umgestaltung des SGB ganz zu schweigen (erläuterte Zusammenfassung z.B. auch beim Sozialticker).

Der letzte Stand der Gerüchte besagt nun, der Regelsatz für ALG2-Empfänger (alleinstehende volljährige wohlgemerkt) solle um ganze 5 Euro steigen.
Rausgerechnet wurden bei dem Gerücht wohl die dekadenten 13,irgendwas Euro, die bei den Nahrungs- und Genußmitteln für Tabak und Alkohol vorgesehen waren, stattdessen sollen Praxisgebühren und Internetkosten aufgenommen worden sein.
Grob überschlagen: 13 Euro raus, 5 rein, macht 18 Euro für Praxisgebühren und Internet. Praxisgebühren 1x pro Quartal, also 3 Euro im Monat, bleiben 15 Euro für Internet. Knapp, meine Herrschaften, knapp. Aber Bedarfsunterdeckung ist man ja die ganze Zeit schon gewohnt (vgl. die Aufschlüsselung des ALG2-Satzes, der ich mich schon mal ausgiebiger gewidmet habe).

Angesichts dieser aber nun wirklich wahnwitzig überzogenen Überalimentierung der Taugenichtse und Schmarotzer verwundert es nicht wirklich, dass die rechtschaffene Empörung sich Bahn bricht, wie zum Beispiel in diesem Kommentar namens „Regierung setzt dem ruinösen Sozialstaat ein Limit“ in der Welt.

Schön, dass dabei unter anderem völlig unter den Tisch fällt, dass die dummsture Weigerung, Mindestlöhne einzuführen, zum Ergebnis hat, dass die Arbeitspflicht von Leistungsempfängern zu einem Lohnniveau geführt hat, das Vollzeitarbeit längst nicht mehr immer ausreicht, um auch nur den Mindestbedarf zu decken. Die Folge davon ist wiederum, dass die Dumpingarbeiter seit Einführung von Hartz IV mit 50 Milliarden unterstützt werden mußten (FR), um eben auch nur das Niveau zu erreichen, das euphemistisch als soziokulturelles Existenzminimum bezeichnet wird. Unter solchen Gegebenheiten noch von sowas wie „Lohnabstandsgebot“ zu faseln, spottet echt jeder Beschreibung.

Am Überraschendsten ist dabei noch, dass nicht mal die Leser mit der These übereinstimmen – mal schauen wo sich das über den Tag noch so hinentwickelt:

Dass sich die Koalition bei dem Coup auch noch kaltlächelnd über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar hinwegsetzt, steht noch auf einem ganz anderen Blatt. Eine noch bessere Demonstration, dass es hier um nichts mehr geht, außer das Speichellecken bei den Lobbyisten und Nach-Amts-Arbeitgebern, hätte man kaum kriegen können.
Ob der Verfassungsschutz sich hinreißen lässt, statt Automobilpyromanen u.ä. die amtierende Regierung zu überwachen? Angebracht wäre es.

Addendum: Noch zwei Links zum gleichen Thema:
Manchmal wünscht man sich die RAF zurück – F!XMBR
(auch die Links am Ende des Beitrags beachten, ich verlinke sie nicht nochmal, weil auch nur dort gefunden, die Meriten kann ich mir nicht aneignen ;))
Hartz IV: Fünf Euro in den Hut! Sadisten bei der Züchtigungsarbeit! – trueten

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Die Idiotie der inländischen Wirtschaftspolitik

Beim Spiegelfechter die Tage noch als interessantes historisches Häppchen präsentiert, da werden Niedriglohnpolitik und Exportkonzentration von der europäischen Gegenwart eingeholt. Grade in Kombination hochinteressant zu lesen!

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Das kalte Knochenkotzen

Das kommt mir beim Interview in der FR mit dem Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Mayer. OK, Deutsche Bank könnte alles sagen, aber von Volkswirten hatte ich mir bislang mehr erhofft. Nun gut. Illusionen sind zum Verrecken da.

Einmal weiß der Mann offenbar schlicht nicht, was er will. Die deutsche Volkswirtschaft soll unproduktiver werden, aber auch nur, wenn es die Binnennachfrage stärkt. Überlebensfähige Löhne stehen dabei aber selbstredend nicht zur Debatte:

„Ich habe überhaupt nichts gegen Kombi-Lohnmodelle und bessere Zuverdienstmöglichkeiten.“

Selbst wenn ich mich hypothetisch auf diesen Standpunkt begebe, klappt, wirtschaftlich gesprochen, die Gegenfinanzierung der Kombilöhne nicht. Das passt zwar sehr schön zum Mediengerumpel der sozialen Brandstifter der Marktliberalen, mehr Niedriglohnjobs, malochen muss der Pöbel, aber löst das Kernproblem nicht, denn

„Reparaturversuche wie Hartz IV und die Riester-Rente verschlimmern die Probleme nur.
Deshalb muss ein komplett neues System her, das die wirtschaftliche
Freiheit, die Eliten, wieder strikt an die soziale Verantwortung bindet.

[…]
Die sozialen Sicherungssysteme sind in die Krise geraten, weil der
Staat auf eine angemessene Abgaben- und Steuerpolitik verzichtet. Es
kann nicht sein, dass zum Beispiel die Rentenversicherung durch
Altersarmut gerettet werden soll, und dass Familien mit Kindern durch
Sozialversicherungsbeiträge und fixe Verbrauchersteuern genauso
belastet werden wie kinderlose Singles. Die Umverteilung von oben nach
unten[*] soll nun mit der so genannten Kopfpauschale auf die Spitze
getrieben werden. Deutschland ist schon fast der Weltmeister der
Ungerechtigkeit.“

(J. Borchert, Richter am Landessozialgericht in Darmstadt, auch FR, bei [*] unterstelle ich angesichts des Gesamttenors des Interviews, dass er es schlicht umgekehrt gemeint hat. Gerade die Kopfpauschale ist ein Musterbeispiel für unverhältnismäßige Mehrbelastung von Geringerverdienenden)

Mayer verkennt auch die Gesamtlage, wenn er sagt:

“ Es mangelt an inländischer Nachfrage, das ist offensichtlich. Die Deutschen sparen zu viel und konsumieren zu wenig.“

Was erwartet der Mann denn, die einen haben dank gepuschtem Dumpinglohnsektor ohnehin nichts mehr zum Sparen übrig, den anderen wird ein Mischmasch aus Krisengrusel und Geizistgeil-Sparmichheut vorgesetzt, kein Wunder dass die Umsätze im Inland bestenfalls stagnieren.

Wo an anderer Stelle des Interviews noch angefügt ist, dass Mayer lachte, vor er antwortete, hat er sich am Ende entweder besser im Griff oder die Interviewer breiten den pietätvollen Mantel des Schweigens darüber:

FR: Anstelle von kräftigen Lohnerhöhungen könnte auch der Staat mehr investieren und so für Jobs sorgen?
Mayer:
Das stimmt, das ist der französische Weg, der lange überraschend gut funktioniert hat. Doch bei der Verschuldung, die die Staaten durch die Krise auf sich geladen ist, ist er versperrt. Da hilft alles Wünschen nichts. Die Staatsknete ist verschossen. Wir können nicht noch mal das Defizit verdoppeln.
FR: Weil wir das Geld den Banken geben mussten
Mayer: Hier schweige ich besser.“

Wohl wahr.

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Etwas festgelesen

Hab ich mich grad mal wieder beim Spiegelfechter – zum Thema BGE – und weiterhin in den Kommentaren, aus denen noch zwei, na eigentlich drei Links beachtet gehören, imho.

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Nochmal zwei Links

Zu Genese, Situation und (möglicher) Zukunft des Sozialstaats – je nach Verfassung auch geeignet, Depressionen auszulösen, also mit Bedacht genießen …

Boris Groys in der Zeit

Fortsetzung davon beim Spiegelfechter

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Mal wieder ein kleiner Lesetipp

-> beim Spiegelfechter

Der Artikel ist schon schön, und bei vielen Kommentaren kann man sich wunderbar gruseln und dazwischen aufatmen, dass es auch noch denkende Menschen gibt.

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Meine kleine Presseschau

Heute mal drei Stück am Stück, für alles andere bin ich zu faul – Winterschlaf läßt grüßen.

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Im SPoN ist zu lesen, welche erfreulichen Reaktionen der Uni-Protest der Österreicher derzeit nach sich zieht – und was für reaktionäres Volk versucht, dagegenzuhalten. " Die Initiative ‚Studieren statt Blockieren‘ fordert eine Auflösung der Besetzungen", heißt es da, selbst wenn es sich lt. dem Bericht nur um eine Onlineinitiative handelt. Da frag ich mich doch, was treibt dieses Rudel konservativer junger Hunde an. Die sind doch nicht etwa stolz darauf, fürs Studieren zahlen zu müssen und sich damit vom mittellosen Pöbel abheben zu können? Oder doch? Oder was für Zeug haben die sonst geraucht, dass sie nicht erkennen, wohin die Reise gehen soll und wogegen sich die Besetzungen einiger weniger Hörsäle richtet? Erschütternd.

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Fefe berichtet von einer Statistik, die letztlich jeder so erwaret hat – dort, wo es nicht kriminalisiert wird, wird am Wenigsten gekifft: Nämlich in den Niederlanden.  Dazu passt das Fundstück aus der Netzeitung, wonach der britische Drogenbeauftragte David Nutt eine – imho – fundierte respektive sinnvolle Position zu Drogen bezogen hat und das mit dem Verlust seines Posten büßt,  was unter Sachkundigen auch zu Unverständnis geführt hat. Die schönste Spitze war wohl, "Das Gremium solle lediglich die Politik der Regierung absegnen", wie es ein weiteres Mitglied des britischen Drogenberatungsgremiums, Les King, formulierte, der aus Protest gegen die Entlassung Nutts ebenfalls von seinem Amt zurücktrat.

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Am meisten echauffiert hab ich mich aber über den Beitrag bei trueten.  Dabei fand ich den an sich ja noch richtig gut, gegen das Unrechts- und Unfreiheitskonstrukt HartzIV kann man gar nicht genug anschreiben.

ABER.

Im dritten Absatz stürzt der Beitrag dann zwischendurch komplett ab:

Aber was macht es mit ihnen? Zeit im Überfluss, mit der sie aber wegen der wirtschaftlichen starken Einschränkungen nichts anfangen können. Für die meisten ging das Gerüst Struktur verloren. Während der Erwerbsarbeit war der Tagesablauf durchstrukturiert. Morgens aufstehen, Frühstücken, zur Arbeit gehen, Mittagspause, Feierabend…, Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr mit Ausnahme der Wochenenden und des Urlaubs dasselbe Ritual. Man hatte sich daran gewöhnt. Alles hatte seinen festen Gang, hatte seine Ordnung. Was erkennen wir daran? Dass eine gewisse Ordnung, eine Struktur im Leben sehr wichtig ist. Aber wie können wir lernen, uns diese Struktur im Erwerbslosenleben selbst zu geben? Uns selbst ein Gerüst zu geben, ist auch mit einem Höchstmaß an Disziplin verbunden. Diese müssen wir aber ganz neu erlernen. Ein Leben in der Erwerbslosigkeit und speziell in Hartz IV erfordert schon ein hohes Maß an Charakterstärke, um nicht unter zu gehen und sich nicht selbst gehen zu lassen. Diese Charakterstärke besitzen anfänglich nur die wenigsten und muss häufig ganz neu erlernt werden.

Das zäumt imho das Pferd von hinten auf. Nicht die nicht mehr existente aufgezwungene Tagesstruktur durch die Lohnarbeit ist der Kern des Problems, sondern die Unfähigkeit vieler, ihren Alltag ohne die Lohnarbeit mit Sinn zu erfüllen und quasi als Chance anzunehmen, wobei die Unfähigkeit auch medial nur forciert wird, was letztlich im Artikel auch richtig erkannt aber nicht auf diesen Aspekt angewandt wird. Der beklagte Strukturverlust klingt in meinen Ohren doch allzusehr nach dem Tenor derer, die ALG2-Empfänger schon allein deswegen in (Zwangs-)Maßnahmen stecken wollen, damit sie keinen verlotterten Alltag haben. Mir als bekennendem delta-t-ler stößt dabei allein schon der Zwang/Druck zur Tagesaktivität auf – alles was ich bislang anerkannt gut geleistet habe, ist in den frühren Morgenstunden zwischen 0 und 6 Uhr entstanden (nachweisbar anhand Benotung mit 1, von Kollegstufen- bis Diplomarbeit) -, und jene, die sich davon endlich frei machen könnten, sollen natürlich mit Entzug der Lebensgrundlage dazu gezwungen werden, sich weiterhin in den Trott der Arbeitskolonnen einzureihen, und sei es durch das 24. nutzlose Bewerbungstraining.

Vielleicht tu ich dem Beitrag ja auch Unrecht und es ist eigentlich das gemeint, was ich auch anprangere: Dass heutzutage gar nichts anderes mehr als möglich propagiert wird als ein Leben nach dem Diktat von Vorgesetzten und der Absturz in die "Strukturlosigkeit" von ALG2-Klienten letztlich nichts anderes ist, als ein Nischenthema vergangener Jahre, nämlich die Anleitung für Frischverrentete, wie man sich den Lebensabend sinnvoll mit Hobbies und Freizeitaktivitäten gestaltet (wenn nicht gleich durchstrukturiert).

Trotzdem leuchtet es mir nicht ein. Bekennend arbeitsscheu zieh ich die Endphase meines Studiums genüßlich in die Länge und hab abgesehen von wenigen Fixpunkten schlichtweg überhaupt keine Tagesstruktur. Meinem persönlichen Tagesrhythmus entspricht es nunmal, in den nächsten 2 Stunden schlafen zu gehen und gegen Mittag aufzustehen. Solang man mir das läßt, bin ich in meiner persönlichen Wachphase beliebig produktiv oder auch nicht, kommt vielleicht auch immer drauf an, was man drunter versteht.

Letztlich ist doch das Kernproblem derer, die unter HartzIV zu leiden haben außer den unmenschlich beschränkten Mitteln – die ich auch gar nicht in Abrede stellen will, das ist ein echtes Problem und ich bin trotz allem noch naiv genug, dran zu glauben, dass das Verfassungsgericht ein harsches Urteil über die Regelsatzfestlegung fällen wird, auf dass man eine zu erwartende wiederum zu niedrig angesetzte Neuregelung der frischen Regierung gleich wieder vor den Kadi ziehen kann -, dass das Nichterwerbstätigsein mittlerweile mit einem medial vermittelten Tabu sondergleichen belegt ist, man darf das schier nicht mehr zugeben. Neben wirtschaftlichen und rechtlichen Hilfen sollte doch Hauptansinnen von Arbeitsloseneinrichtungen sein, zu vermitteln, dass es ein Leben außerhalb der Lohnsklaverei gibt, wenn es mir und einer Reihe anderer (die ich persönlich kenne, daher nicht an ihrer Einstellung zweifle) einleuchtet, kann es doch so abwegig nicht sein. Noch ein bißchen Revolution dazu, damit die Brosamen für diejenigen, die freiwillig oder nicht aus dem Gesamtbetrieb ausgegliedert sind, auch zum menschenwürdigen Leben ausreichen, und alles könnte gut sein. 

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