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Whatsapp – so what?

Nachdem jetzt den ganzen Tag auf allen (!) Kanälen der Tenor „OMFG ZUCKERBERG HAT JETZT UNSERE WHATSAPP-NACHRICHTEN JETZT SIND WIR PRAKTISCH NACKT“ an mir vorbeilief, fass ich mir jetzt mal öffentlich an den Kopf.
ALLES, was 1. nicht End-2-End-verschlüsselt ist und 2. über irgendwelche Server läuft, hat zwangsläufig das Privatsphärenniveau einer Postkarte.

Die Älteren (*haha*) erinnern sich vielleicht noch an ICQ 😛 und in den alten Nutzungsbedingen von Mirabilis hieß es schon in den 90ern, dass alle Nachrichten über Mirabilis‘ Server laufen und ihnen praktisch gehören.
Als ob sich sowas mit der Zeit zum Besseren, sprich zur Achtung der Privatspähre ändern würde …

Und wo ist überhaupt das Problem, Facebook betreibt intensives Nutzerprofiling, das sollte auch dem letzten Nutzer langsam klar sein. Dagegen kann man FB sein lassen, gezielt Falschinformationen einsetzen oder soviel weißes Rauschen produzieren, dass wichtigere Dinge hoffentlich untergehen. Oder die halt aus FB raushalten.

Dass Whatsapp auch nicht grade ein Heiliger in Sachen Datenschutz ist, war doch auch bekannt. Wo also ist die Verschlechterung?

„Jetzt hat Facebook meine Telefonnummer!“ *???* Die eine Hälfte benutzt FB eh schon mobil, und die Hälfte, die das nicht tut: Wie soll FB den Link zwischen der Person und der Telefonnummer hinkriegen, wenn nicht über den Klarnamen? Und wenn man mit Klarnamen bei FB auftritt, ist es dann nicht ohnehin schon egal?

Beim Aufkaufen von Whatsapp durch Facebook ist das Geheul groß, aber beim ganz allgemeinen Absniffen ALLER Kommunikationsdaten via Vorratsdatenspeicherung und Geheimdienste …? Überhaupt Vorratsdatenspeicherung … aber das ginge zu weit vom Thema weg.

Wer Dinge digital kommuniziert – und zunehmend laufen Telefonate ebenfalls via VoIP, also ebenfalls digital, von den althergebrachten Abhörmethoden noch ganz abgesehen -, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und sie dann nicht maximal verschlüsselt, ganz ehrlich: Selbst schuld. Das hat sich mit dem Aufkaufen definitiv nicht verändert.

Entweder man war sich der Öffentlichkeit seiner Daten die ganze Zeit bewusst und hat sich entsprechend verhalten – Hinnahme oder Gegenmaßnahmen gleichermaßen -, oder aber man sollte sich statt rumzuheulen lieber mal 2-3h in Recherche vertiefen und sich fragen, warum einen erst dieser Vorgang aufregt.

Dann werden noch ein paar Alternativen hochgelobt, aber die kranken alle an den gleichen Problemen. Sie laufen über Server, sie laufen auf kompromittierbaren Geräten, sie kommen von Anbietern aus Staaten, die freigiebig Daten ausliefern.
Wertvoll dazu auch Fefe heute: http://blog.fefe.de/?ts=adfb2675

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Urheberwurst

Mal angenommen. Man hat ein klitzekleines Video. Einfach mal so live mitgeschnitten, was das Leben an Albernheiten so gebiert. In diesem Video ist auch etwas musikalisches zu hören, was die Situationskomik nur noch steigert.

Weil es so schön war, möchte man das Video hochladen.

Aber was passiert dann? Das Videoportal scannt offenbar das Material verflucht gründlich – und das allein ist eigentlich schon unheimlich genug – und weist einen unhöflich, aber bestimmt drauf hin, dass bei $_Zeitmarke doch urheberrechtlich geschütztes Material enthalten ist. Und dass man das auch ganz ohne Gewinnabsicht nicht darf.

OK, drauf geschissen. Ihr könnt mich selbstverständlich alle mal.

Aber nur mal den Gedanken weitergesponnen.

Beispielsweise das tagtäglich sicher tausendfach abgesungene Geburtstagsliedchen „Happy Birthday“ ist noch bis mindestens 2016 urheberrechtlich geschützt und nicht gemeinfrei (sagt Wikipedia).

Da könnte man doch als geschäftstüchtiger Rechteverwerter mal auf folgende Idee kommen:
Man verlangt von Nutzern sozialer Netzwerke in Abhängigkeit von der Anzahl ihrer dort verbundenen Freunde, und berechnet nach einer komplizierten Formel, die statistisch abgesichert berechnet, wie viele der Freunde man tatsächlich live kennt, wie viele davon so nahe wohnen, dass die realistische Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Nutzer zu ihrem Wiegenfest eingeladen wird und in wie vielen Fällen von solchen Feierlichkeiten auch das bewusste Lied gesungen wird, einen jährlichen Obulus.

Anschließend findet sich durch die Gunst des untereinander vernetzt Seins eine Interessengruppe nachweislich attestiert soziophober, die ausschließlich über eben dieses Netzwerk kommunizieren, die gegen die pauschale Zwangsgebühr klagen…

Soweit, so skurril.

Meine schlimmste Befürchtung ist aber immer noch, dass im Falle dieser Gebührenerhebung sich das übliche Rudel konservativer junger Hunde fände, die sich auf die Seite der ‚Rechteinhaber‘ stellen und den Standpunkt vertreten, das sei nun mal eben so, geistiges Eigentum, und das ginge eben nicht, dass jeder einfach so singen kann, was eigentlich einem ganz anderen gehört.

Von wegen, die Gedanken sind frei …

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HEULT DOCH! (Hassposting)

Aaaaaaaaaah ich hätte es kommen sehen müssen und rechtzeitig meine Filterbubble einschalten. Es war ja wieder Zeitumstellung Sommer-/Winterzeit und damit kommt ja auch immer das große Geheule, wie WAAAAAAAAAAAHNSINNIG anstrengend das ist und wie unnütz und dass das doch alles dringend abgeschafft gehört.

Mal abgesehen von meiner persönlichen Vorliebe: Ich stehe auf Sommer- und Winterzeit, im Sommer endlos lange Abende und im Winter wird ’s wenigstens irgendwann mal hell.

Mag sein, dass mich das Gegreine über die Uhrenumstellung auch deswegen gar so nervt, weil mir wirklich, wirklich was fehlen würde, wenn Sommer- und Winterhalbjahr sich nicht auch durch Zeitjustage unterscheiden würden.

Aber Gegreine find ich es es so oder so auf jeden Fall, wenn da an den Haaren die aberwitzigsten Argumente in Feld gezerrt werden, wer alles so UNGLAUBLICH unter der Stunde hin oder her leidet:

Tiere. Nunja, industrielles Milchvieh, da kann ich mir das in der Tat vorstellen. Würde ich grade noch gelten lassen. Sämliche meiner privaten Haustiere richteten sich aber nach mir, und nicht nach der Uhr – wie auch, die interessiert die ja nicht. Kann sein, dass der Hund mal etwas erstaunt geguckt hat, wenn man ‚zu früh‘ aufgestanden ist. Dann aber auch nur genau einen Tag lang.

Kinder. OHMEINGOTT! Sie stehen eh immer schon um 5h auf und fangen an zu spielen, jetzt sind sie ganz aus dem Takt! Leute, wenn euch eure Kinder mitten in der Nacht wecken, wenn ihr eigentlich noch schlafen wollt, dann hättet ihr eure Kids mal besser an euren Rhythmus gewöhnt, statt auf irgendwelche Weisheiten zu hören, dass ein Kind um 6h Frühstück braucht. Ich persönlich, selbstgerechtes Stück par excellence, hab als Säugling schon gepennt bis 10h am Vormittag. Weil uns das familiär besser in den Kram passte.

Ach und der persönliche Jetlag. „Ich brauche immer über eine Woche, bis ich mich an die ’neue‘ Zeit halbwegs gewöhnt habe“ … PUSSIES! An der einen Stunde rumleiden, aber 2x im Jahr sonstwo Urlaub machen, wo die Ortszeit viel mehr als nur läppische 60 Minuten abweicht. Wenn das ach so anstrengend ist, wieso fliegt ihr dann um die halbe Welt zum Erholungsurlaub, offenbar könnt ihr euch doch da gar nicht erholen …

Echt jetzt. Wenn ihr keine anderen Probleme habt, als das bisschen Zeitumstellung, nehmt euch nen Keks, schätzt euch glücklich und vor allem: HALTET DIE KLAPPE!

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Lügen & Propaganda

Den 3. Tag in Folge keine der angekündigten Riots in Sicht. Kleine Demonstrantengruppen spielen Katz und Maus mit der Bullizei quer durch Frankfurt. Summa müßten es den Insiderberichten zufolge inzwischen 600-800 Ingewahrsamnahmen sein, GeSas von Frankfurt über Wiesbaden und Gießen bis Nord-und Osthessen.

Zu wenig Riots zu vermelden, dann schreiben wir eben welche zusammen. Das ehemalige Nachrichtenmagazin schreibt von Wasserwerfern, die schon eingesetzt worden wären. Die Info hat aber auch nur Spon.
An anderer Stelle ist aufgetaucht, es habe Steinwürfe gegeben: „11:41 Uhr: Mehrere Demonstranten sollen am Untermainkai östlich der Mainluststraße aus einer Gruppe heraus Steine auf unbeteiligte Passanten geworfen und mehrere verletzt haben, berichtet ein Twitter-Nutzer. Wir können diesen Bericht bisher nicht bestätigen. Einzelne Demonstranten berichten von vermummten Demonstranten, Steinwürfe haben sie aber nicht gesehen.“ (FR-Online-Ticker), was die „Zeitung“ mit den 4 Buchstaben angeblich inzwischen auch aufgegriffen haben will. Kann ich nicht nachprüfen, da ich da aus Prinzip nicht hinsurfe. Dass es sich da um eine Propagandalüge handelt, erklärt sich aber von allein – wieso sollte man auf Passanten schmeißen, was für ein Bullshit.
Im TV immerhin keine derartigen Falschmeldungen, nur Berichte von einer aufgelösten Kundgebung nahe bei der EZB, bei der man auch sehr schön sieht, wie ein Cop einen Demonstranten und eher älteren Herrn der Mittelschicht völlig grundlos quer durch die Wiese pfeffert.

Nebenbei hat Anonymous mal eben die Homepage der Stadt unter frankfurt.de runtergefahren, nicht ganz stabil aber immerhin auch.

Lieblingstweet von gestern: „Wir weisen darauf hin, dass wer ein Grundgesetz auf die #blockupy -Demo nimmt, die Verfassung gefährdet: So ein Buch geht schnell kaputt!“

Lieblingstweet von heute bis jetzt: „Die Polizeihundertschaft läßt Demo stehen & zieht gerade einfach ab in die Mittagspause.“ Was auch live zu sehen war bei CastorTV.

Alle die heute und morgen in Frankfurt unterwegs sind: Passt gut auf Euch auf …. !!!

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Die letzten Tage der Demokratie [Pathos enthalten]

“ @Dahonk: Was gerade in Frankfurt passiert, erinnert mich an die letzten Tage der DDR 1989. Danach brach das System zusammen.“

Von außen betrachtet, via Twitter und Livestreams von Teilnehmenden, wirkt der Donnerstag nur wie eine weitere Variante des (bekannten) Frankfurter Junkie-Jogging.
Nachdem alles verboten wurde, bilden sich wild aller Orten spontane Versammlungen, werden eingekesselt, bleiben friedlich und lösen sich auf.
Donnerstag erstmals passiert, der Kessel um die Versammlung von 500-1500 (Polizei/Aktivistenangaben) an der Paulskirche (!) wurde gelockert bis aufgelöst – allerdings gab es wohl inzwischen eine weitere Versammlung von rund 1000 Leuten am Römerberg. Zudem erscheint eine Stunde später plausibel, dass die Bullizei während der Pressekonferenz von Blockupy am Paulsplatz nicht allzu martialisch im Hintergrund erscheinen wollte.
Auch diverse Prominenz soll vor Ort sein, neben Lokal- und Landespolitikern freut mich am Allermeisten, dass Konstantin Wecker mal wieder einfach unbequem ist und mit den Menschen am Paulsplatz via Megaphon „Empört Euch“ singt.

So gibt es vllt. doch noch einen Rest Hoffnung.
Hoffnung auf eine nicht ganz so marktkonforme Demokratie, in der sich eine Stadt nicht allein aus Panik selbst lahmlegt um ihr selbstgemaltes Bedrohungsbild für notwendig zu erklären – denn wenn alles gesperrt wird und überall Bullizei war, dann wird das schon auch nötig gewesen sein, nicht wahr? Obschon sich bereits Mittwoch Abend von der komplett umstellten Hauptwache, von wo ein Rave nicht stattfinden durfte, befragte Passanten durchaus kritisch über … das Polizeiaufgebot äußerten, und nicht etwa über die halb hedonistisch, halb politisch motivierten Raver.
Keinen Anlass zur Hoffnung gaben hingegen die richterlichen Urteile, die sich offenbar rein auf die naturgemäß paranoide Einschätzung der Exekutive stützten. Je höher das Gericht, das auf diese Weise die ausgeübte Demokratie einer phantasierten Gefährdungssituation opferte, desto größer die Bestürzung. Am Ende entblödete sich nicht mal das Verfassungsgericht, ungestörte Marktabläufe auf Einkaufsmeilen und in Bankzentralen der Meinungsäußerung des Souveräns – wenn man ’s genau bedenkt – zu opfern. Aufgrund der selben unbewiesenen Gewaltvermutungen wie die Verwaltungsgerichte zuvor.

Umso schöner, dass selbst Einreiseverbote, unterbundene Anreise und permanente Einkesselungen die Menschen nicht davon abhalten, ihren Protest nach Frankfurt zu tragen und dort zu äußern. Verblüffend dabei auch, dass bislang noch keine der angekündigten Riots vollzogen wurden.
Kein Zweifel natürlich daran, dass die Staats-/Wirtschaftsmedien zwar mehrere Minuten über verhinderte Demonstrationen in … BAKU berichtet haben, aber bestenfalls wenige Sekunden über verbotene Demonstrationen im Inland.

—-

Nach wie vor KEIN Verständnis hab ich aber für Tweets wie diesen:
„Denkt und handelt bitte nicht in Feindbildern. Bleibt menschlich. Auch Polizisten sind Menschen. Sie sind Sklaven des Systems.“
Bullen sind auch nur Söldner. Noch wird keiner gezwungen den einen oder anderen Job anzunehmen. Ergo haben die den ihren auch freiwillig ergriffen und erzähle mir keiner, daran hätten sie nicht gedacht. Wenn sie nicht überzeugt vom Einsatz sind, sollen sie desertieren oder sich krankmelden. Wer den Beruf hat und heute in Frankfurt gegen die Demokratie eintritt, hatte die Wahl und ist dort freiwillig.

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Wir reichern uns an

„Wir reichern uns an“ echot mir seit Tagen durch den Kopf. Tschernobyl-Generation. Damals noch nicht so viel von allem verstanden, es gab einen Sommer lang keinen Salat und wir hatten auf einmal überall Flaschen und Schraubgläser voller Trockenmilch von „davor“. Die Grundschullehrer fanden nichts dabei uns in der Pause in den Regen rauszuschicken. Wir reichern uns an.

Ich persönlich habe das jetzt von hier kopiert, gibt aber noch mehr Fundstellen.

„Diese Anzeige erschien am 23.5.1986 in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Sie entstand in einem Freundeskreis von sieben Männern und Frauen. Als verantwortlich im Sinne des Presserechts zeichnete Inge Aicher-Scholl, die Schwester von Hans und Sophie Scholl:

Was tun? H-Milch kaufen oder Büchsenmilch? Wir wissen es nicht.
Verfallsdaten beachten oder Halbwertszeiten? Wir wissen es nicht.
Regenschirm oder Abduschen? Wir wissen es nicht.
Sind Kinder 23-mal oder nur 17-mal so gefährdet wie Erwachsene?
Wir wissen es nicht.

Es geht um mehr als um Tiefkühlkost und um die Frage nach dem unbedenklichen Verzehr von Blattspinat in den richtigen Bundesländern.

Unsere Politiker haben sich tot gestellt. Kein Ton von den Herren, die so gerne reden.

Als Lastwagenfahrer einst gegen schleppende Abfertigung an der Grenze protestierten, fuhr Herr Strauß ins Krisengebiet. Im geländegängigen Fahrzeug.

Wenn jetzt Frauen ihre Kinder nicht mehr auf den Spielplatz lassen können, wenn die Landwirte ihr Blattgemüse umpflügen müssen, wenn Menschen der Strahlengefahr direkt ausgeliefert sind, entfaltet sich administrative Funkstille.

Der Staat ist untergetaucht. Warum?

Ruhe bewahren,
nur keine Aufregung,
Gras darüber wachsen lassen:
Die Atompolitik darf nicht gefährdet werden.

Nur einer meldet sich zu Wort: Herr Zimmermann. Er beschimpft die Russen, sie würden eine unmenschliche Informationspolitik betreiben, eine verantwortungslose, weil sie nichts anderes im Sinn hätten als:

Ruhe bewahren,
nur keine Aufregung,
Gras darüber wachsen lassen:
Die Atompolitik darf nicht gefährdet werden.
Der Kanzler aus dem Fernen Osten gab Anweisungen.
Die Behörden hielten Strahlenwerte geheim.

Heute sind 350 Kernreaktoren in rund 30 Ländern in Betrieb. Zwei haben schrecklich versagt.
Einer in Harrisburg, einer in Tschernobyl.

Nun werden noch mehr Menschen an Krebs sterben. Das Erbgut vieler Menschen ist seitdem krankhaft verändert, ohne dass sie es wissen. Es wird noch mehr Sozialfälle und Krüppel geben.
Die Schadstoffe werden in der Lebensmittelkette bleiben.
Wir reichern uns an.

Versagen gehört zu unseren Welt. Es gibt keine absolute Sicherheit. Jede Technik hat Schwachstellen. Versagen ist menschlich. Mit Versagen nicht zu rechnen, ist verantwortungslos und unmenschlich.

Die Atomwirtschaft setzt auf technische Wunderwerke, die nicht versagen.

Aber sie haben versagt.

Mag sein, die deutschen Atomkraftwerke sind doppelt so sicher wie die russischen. Dann passiert es in acht Jahren statt in vier.

Und Brokdorf liegt nur 60 km von Hamburg, Wackersdorf nur 130 km von München, Biblis nur 50 km von Frankfurt.

Wer evakuiert die Hamburger wohin? Werden die Münchner nach Capri evakuiert? Die Frankfurter auf die kanarischen Inseln?

Jeder wird allein gelassen sein.
Wie schon dieses Mal. Die Politiker werden wieder unfähig sein, etwas zu tun.
Sie werden abwiegeln und beschwichtigen.

Nur keine Panik, sagen sie.
Unsere Sorge sei verständlich, sagen sie, aber völlig überflüssig.
Vor allem soll alles so weitergehen, sagen sie. Nur jetzt noch sicherer.
Atomstrom schafft Arbeitsplätze, sagen sie.
Beschwichtigung von Ignoranten.
SIE SEHEN NICHTS,
SIE HÖREN NICHTS,
SIE LERNEN NICHTS.
Sie haben nur gelernt, wie man Wahlen gewinnt.

Was haben wir gelernt?
Es reicht nicht, gegen das Informationschaos und den Beschwichtigungsnebel der Regierung zu protestieren.
Es reicht nicht, mehr Schutz und Sicherheit zu fordern.
Es reicht nicht, weil uns so eindrucksvoll wie noch nie bewiesen wurde, in welchem Ausmaß die Politiker nicht gewachsen sind.
(Dabei war Tschernobyl nur ein Unfall.
Stellen wir uns vor, es explodieren Sprengköpfe.)

Auswandern? Emigrieren?
Aber wohin?

Jetzt werden wir nicht mehr sagen können, wir hätten von nichts gewusst.
Wir können nicht fliehen und emigrieren.
Die Welt wird immer mehr zu unserem eigenen Gefängnis.
Zum Gefängnis des atomaren Fortschritts.

WENN WIR HEUTE NICHTS DAGEGEN UNTERNEHMEN,
WERDEN SIE SICH MORGEN BEDANKEN FÜR UNSER STILLHALTEN UND UNSERE „VERNUNFT“.
JEDER MUSS ÜBERLEGEN, WAS ER TUN KANN.
JEDER AN SEINER STELLE.
DIESES MAL VERGESSEN WIR`S NICHT.

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Agent provocateur, mal wieder

Nachdem neben so tödlichen Wurfgeschossen wie Kastanien (KASTANIEN! Terror!!!) auch sonstige fadenscheinige Gründe zur Legitimation der Polizeiübergriffe bei den Protesten gegen das Irrsinnsprojekt Stuttgart21 (feiner Überblick beim Spiegelfechter) herangezogen wurde, scheint sich nun der Verdacht zu erhärten, es sei – mal wieder – mindestens ein agent provocateur am Start gewesen, um eben diese Rechtfertigungsgründe zu erschaffen.

Außer Aussagen von Eltern (die ihre Kinder vorgeschickt haben, ganz klar), dass ihre Kinder aufgefordert worden seien, die friedlichen Protestformen zu verlassen (Quelle hab ich leider verlegt), kamen mir heute zwei interessante Berichte bei einem Stuttgart21-Blog und kopperschlaegerdotnet unter, was es mit dem ominösen Sprüher einer Flüssigkeit (Pfefferspray?) gegen die Polizeikette mitten im Fokus einer Kamera auf sich haben könnte.

Beides absolut lesenswert.

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Weltschmerz

Er hat mich, mal wieder. Der Weltschmerz.

Und recht hat er dabei, wenn

  • in Stuttgart Riots stattfinden wegen Leuten, die ganz bürgerlich Wiesen besetzen
  • ein vermeintlich bürgerlicher Mann ohne jede gesellschaftliche Fallhöhe und ohne Untermauerungen für seine Behauptungen ganze Bevölkerungsschichten in Misskredit bringen kann und der nach wie vor immer noch kackbraune Mob der noch brauneren Mittelschicht geifernd hinterhereilt
  • während sich keine Sau drüber aufregt, dass eben jener würdelose Mann auch noch eine weitere Gruppe geschmäht und beleidigt hat, denn den von denen weiß man schließlich, dass das alles faule Taugenichtse und Versager sind
  • diesen wiederum unter Aufbietung aller Schauspielkünste einem längst beschlossenen Plan folgend einmal mehr das zum Überleben notwendigste beschnitten wird
  • wobei das wiederum eigentlich egal ist, wenn einer der unendlich verlängerten Schrottreaktoren demnächst seinen zu erwartenden Störfall hat (früher hat man sich über Temelin aufgeregt, heute hat man sowas selbst, es lebe die freie Marktwirtschaft!)

Um nur das aufzuzählen, was mir ganz vordergründig im Kopf herumspukt.
Es ist zum Kotzen. Wo sind wir hingeraten?

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Her mit dem Eimer

Die Story von gestern war ja schon nicht schlecht. Beim Klamotten-Discounter kik – dessen gesellschaftlicher Stellenwert in dem Schmähspruch "Deine Mudda klaut bei kik!" schön festgemacht ist – ließ man die Mitarbeiter systematisch und eindeutig rechtswidrig durchleuchten. Und chasste diejenigen in finanziellen oder privaten Schwierigkeiten (z.B. SZ). Das ist ja schon ne richtig geile Leistung, das Vertrauen in die Mitarbeiter und die Rechtsauffassung, von den Scoring-Kaschemmen ganz zu schweigen.

Rechtzeitig zum Wochenende wird dem aber salopp eines draufgesetzt. Da fällt den ******* im Arbeitsministerium zum Kostensenken echt nix idiotischeres ein, als die Überlegung zu verlautbaren, den als angemessen angesehenen Wohnraum von 45m²/Person auf 25m²/Person zu senken (nochmal SZ).
Da fehlen einem echt die Worte.
Es gibt solchen Wohnraum schlicht nicht. Und wenn, kostet er nicht weniger als 45m². Die Alternative, in WGs zu ziehen, trägt angesichts der gängigen Praxis der Leistungsträger, grundsätzlich eheähnliche Beziehungen, bzw. im SGB-Jargon "Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaften", zu unterstellen, auch nicht.

Aber darum geht es ja auch nicht. Kommen soll die um 40% zu tief angesetzte Wohnungskostenpauschale, Rest ist selbst zu tragen, und nach Möglichkeit in Unterkünften von Garagengröße. Ganz klar: Wer keine Kohle und keinen Platz in der Wohnung hat, geht nicht raus und trifft auch zuhause niemanden mehr, der Bandenbildung ist damit erfolgreich ein Riegel vorgeschoben.

Bleiben die Träume von einem heißen Herbst …

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Lärmbelästigung wegklagen

Was haben die (zumindest mittelgradig) wohlhabende Gentrifizierungsmittelschicht im Prenzlauer Berg und Bewohner eines idyllischen thüringischen Dorfs (aber nicht nur die) gemeinsam?

Sie ziehen erst wo hin, um dann wesentliche Elemente, die das Flair, das sie gerade beim Umzug suchten, hernach wegzuklagen.

Und der Irrsinn daran?

Sie kriegen Recht (in Berlin), oder der Streit tobt trotz Zugeständnissen immer noch (in Thüringen). Urteile aus anderen Gegenden wider Hahnengeschrei oder Gebimmel von
Kuhglocken gibt es vielfach.

Dabei wollen mir zwei Dinge einfach nicht in den Kopf.

1) Auf die Gefahr hin, als total unempathisch und subjektiv dazustehen. Sicherlich ist das Lärmempfinden des Einzelnen ein ungeheuer subjektives Maß. Ich bin selbst gg. bestimmte Formen von Lärm sehr empfindlich, zugegeben. Andererseits hab ich im Lauf meines Lebens an Hauptverkehrs- und Durchgangsstraßen, in direkter Nachbarschaft zu Schulen, Kindergärten, freiwilligen Feuerwehren (Sirene olé!, und wer erinnert sich noch an die regelmäßigen Sirenenproben?), Hallen mit gelegentlichen, lautstarken und bis in den frühen Morgen andauernden Veranstaltungen und etlichen Kirchen gewohnt und auch prächtig geschlafen, zu jeder Tages- und Nachtzeit (OK bei den Parties hab ich manchmal auch zur resignativen Hinnahme gegriffen und kurzerhand mitgefeiert bis dort keiner mehr stand). Zur Glanzzeit meines quasi klagewürdigen Lärmbelästigungspotentials ca. 50m Luftlinie von einer größeren Kirche mit prächtigem Geläut, drei Mal täglichem sog. liturgischem Läuten von etlichen Minunten plus viertelstündlichem Zeitschlag rund um die Uhr. Wer das erste Mal bei mir übernachtete, stand morgens früh um 6 schon mal im Bett stramm, erst recht montags, wenn die Metzgerei gegenüber die Schweine ihrem Ende zutrieb, was nicht minder gut hörbar war. Nach einigen Minuten weckte mich dann die Unruhe neben mir und ich murmelte verschlafen, die seien doch gleich fertig und zum Aufstehen wäre es doch noch etwas früh. Wenn ich gelegentlich nochmal in der Gegend übernachte, überhöre ich selbst nach Jahren der Abstinenz immer noch sämtliches Glockengeläut.
Was ich sagen will ist, man kann sich doch an erheblich mehr gewöhnen als man sich im ersten Moment vorstellen kann. Geht natürlich nicht, wenn man sich erheblich echauffiert, wenn der jeweilige Lärm zu hören ist. Unter entspannten Bedingungen ist das aber kein Staatsakt. Und die entspannte Haltung kann man sich auch bewusst zulegen, und auch da sprech ich aus Erfahrung.

2) Nach der grundsätzlichen Überlegung zu subjektivem Lärm jetzt der Punkt, den ich nun wirklich nicht einsehe. Da winkt ein florierendes Viertel voller „Szene“ und Leben oder wahlweise eine klischeehafte Bilderbuchidylle wie aus dem Heimatfilm. Es wird festgestellt, das entspricht dem momentanen Lebensentwurf, da will ich unbedingt wohnen. Gesagt,  getan, hingezogen. Offenkundig unüberlegt und unbesehen und in Unkenntnis der örtlichen Gepflogenheiten. Denn sonst könnte es ja nicht passieren, dass man von für den jeweiligen
neuen Wohnort völlig typischen, aber auch völlig untragbaren Lärmen überrascht wird. Unerschrocken wird dann aber zur Klage gegriffen, denn es kann ja nicht sein, dass die  Idylle/Szene nicht nur imagewirksam und sicht- sondern auch direkt hörbar wird, bzw. ausgereifter formuliert von A. Holm sind es offenbar:

„Ansprüche“, die Nachbarschaft nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Abgeleitet werden diese Ansprüche offenbar direkt aus dem Privateigentum – so sind die  Klagekonstruktionen im Falle des Knaack-Clubs und des Hirschhofs direkt mit dem Eigentümerstatus verbunden.  In mehr oder minder klassischer NIMBY-Manier (Not In  my Backyard) wird gegen alles geklagt, was den eigenen Lebensstil beeinträchtigen könnte.

Idiotisch genug bis hierher.
Die eigentliche Idiotie ist aber, dass dieser Gehirnerweichung zu oft auch noch stattgegeben wird, anstatt mehr oder weniger generell zu dem Schluß zu kommen: „Bist doch selbst  schuld, genau das wolltest du doch haben, genau das hast du bekommen, komm damit klar oder zieh in die Vorstadt, da gibt ’s das nicht, nur ruhige Eigenheimchen.“

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