Archiv für Kategorie Verschwörung

Berlin, Berlin …

Zwei Tage danach muss ich mich jetzt auch mal über den Vorfall bei der Demo am 12.6. in Berlin verbreiten.

Die mediale Gesamtlage ist immer noch wie Anne es bereits gestern beschrieb, durch die jeweilige persönliche Färbung nicht ernstlich erhellend. Bleibt die Suche im Nichtgeschriebenen und zwischen den Zeilen.

Auf Annes Blogpost sei ausdrücklich verwiesen, dort finden sich auch einige hochinteressante Links, neben den Videos vom Vorfall.

In den Kommentaren bei Anne findet sich der Link zu einer kritischen Beurteilung eines der Videos. Den dortigen Kommentatoren (Nr. 18 und 19) fallen zwei Personen auf, die sich zumindest verdächtig machen, den ominösen Detonantionskörper dort gezielt und vor Allem geduldet platziert zu haben, sprich, die gesuchten agents provocateurs zu sein.

Die Meinungen, um was es sich bei dem Teil letztlich handelte, gehen von einem ‚Polenböller‘, einem in der Schweiz legalen Fabrikat namens Cobra 6 (Fefe) bis zu einer „Übungs-Knall-Handgranate“ (Kommentar # 14).

Die Tagespresse scheigt sich dazu schon wieder ziemlich aus, der Berliner Tagesspiegel ist aber noch dabei, beschreibt die eingehend schweren Verletzungen der Polizisten, die allerdings weder grob noch detailliert im Pressebericht der Berliner Polizei auftauchen.

Wirklich glücklich ist in dem Zusammenhang, dass offenbar trotz des Detonationspunktes, der sowohl von Einsatzkräften als auch von Demonstranten bevölkert war, keine Demonstranten zu Schaden gekommen scheinen, zumindest werden tatsächlich nirgendwo welche erwähnt. DIe Glaubhaftigkeit von selbstpostenden Augenzeugen bei Indymedia ist mir in etwa gleichauf mit einer Splitterbombenmeldung, die sich darauf beruft, dass die „dpa“ das „erfahren habe“ (SpOn).

Wirklich sonderbar erscheint mir, dass laut Tagesspiegel sogar zwei Zivilpolizisten die „mutmaßlichen Werfer“ des ominösen Detonationskörpers beobachtet haben wollen, die Tatverdächtigen auch rd. 2h später verhaftet werden konnten, jedoch habe der Tatverdacht nicht ausgereicht, um Haftbefehle beantragen zu können. Wohlgemerkt, obwohl Polizistenin Zivil den Wurf gesehen haben wollen. Wer sich erinnert, bei zwei jugendlichen Verdächtigen, denen das Werfen eines Brandsatzes zur Last gelegt wurde, reichte der Tatverdacht trotz Entlastungszeugen für sieben Monate U-Haft (z.B. taz).

Im kleinen Satz am Rande wird beim Tagesspiegel dann übrigens erwähnt, dass die These von der Splittergranate, also der absichtlichen Versetzung des Explosivkörpers mit Nägeln oder anderen Kleinteilen, bislang reine Medienvermutung ist und nicht von offizieller Seite bestätigt wurde. Was für Kleinteile den verletzten Polizisten also mehrere Zentimeter tief in die Beine eingedrungen sein sollen, ist damit weitgehend ungeklärt. Welch wunderbarer Fügung ist es aber zu verdanken, dass die Einsatzkräfte just 10 Sekunden vor der Explosion noch ihre Helme aufgesetzt haben!

Also mir kommt die ganze Sache massiv spanisch vor.

Update:
Aus Sicht der Polizei sind bislang keine direkten Augenzeugen des Vorfalls bekannt.“ (Berliner Morgenpost) – ja was denn nun …
Dafür weiß die MoPo angeblich schon, wie die Kracher beschaffen waren, woher auch immer: Sie wurden „
aus polnischen oder italienischen Feuerwerkskörpern gefertigt. Die Täter haben die hierzulande illegalen Böller demnach mit brennbaren Flüssigkeiten und Metallteilen aufgerüstet.“

Naja und nebenbei, war klar, gereicht das auch sofort als Argument für Vorabdurchsuchungen von Demoteilnehmern, was ein Verfassungsgericht dazu urteilt, sei nicht  „realitätstauglich“, meinte der Innensenator Ehrhart Körting (SPD).

Update 17.6.:
Wie aus einem unklaren Fall neuer „Linksterror“ wird – eine Chronologie.“ (taz)

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Alles nur Verschwörung?

Via Mail bin ich die Tage mit einer interessanten These konfrontiert worden. Mein langjähriger Mailfreund (jaja, heute hat man keine Brieffreunde mehr, sondern Mailfreunde. In Zeiten von immer größerer (eingeforderter) Mobilität ist eine Mailadresse auch weitaus verlässlicher als eine Postadresse …) hat von Blogs ’ne eher schlechte Meinung, so schrieb er mir. Für ihn sind das größtenteils Leute, die irgendwelchen Verschwörungstheorien nachjagen, und je mehr sie auf Verschwörungstheorienseiten lesen, desto mehr glauben sie dran.

Von Natur aus von Selbstzweifeln zerfressen nage ich jetzt schon ein paar Tage an dieser These herum. Zudem er auch noch weitgehend recht damit hat, wenn er fortfährt, die meisten üblen Fakten seien nicht verdeckt und warteten drauf, dass sie irgendein Agent Mulder aufdecke, sondern seien ganz offen irgendwo zu finden, und man müsse sie nur nachlesen.

Bei letzter Ansicht kann ich ihm auch wirklich nur beipflichten. Das sehe ich inzwischen ganz genauso. Und drum halte ich die Blogs, die ich so regelmäßig lese, nun weniger für verschworene Theoretiker, sondern für genau das, was man gar nicht genug brauchen kann, wenn man nicht selbst jeden Tag etliche Stunden ins Web und die Recherche verwenden kann (zumindest, wenn man nicht dafür bezahlt wird, oder anderweitige zeitraubende Verpflichtungen hat – oder wie auch immer, ich fände jedenfalls vieles nicht von selbst, was mir die Blogs zutragen): Für mich sind wenigstens die Blogs in meinem Feedreader die Zuträger genau der Informationen, die irgendwo ganz offen rumliegen, aber auf den Standardpfaden der Verblödungsmedien eben doch außen vor gelassen werden.

Da kann man ja jetzt sogar zu einer neuen Metadiskussion über Profi- und Laienjournalismus ausholen. Wildes Vor-Sich-Hin-Geschreibsel aus dem Ärmel und dem blauen Himmel ist eins, aber das Verzapfte mit Referenzen zu belegen, ist etwas ganz anderes. Wo sich da die Referenzen aus dem Nebel der schwer nachzuprüfenden Quellen herausbewegen, da entbehren auch die Blogs jedem Vorwurf der Verschwörung. Imho.

Genauso wie es zweifelhafte Webseiten gibt (neben Printmedien und allem anderen), gibt es "natürlich" auch die Blogs, die sich fern aller Seriosität bewegen – aber es liegt ja am Leser, herauszufinden, ob er dem traut, was da steht, oder nicht.

Oder bin ich nur schon viel zu tief verstrickt in die Verschwörungstheorien?

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Religion vs. Biologie

Aus Groß-Bruder-Land ist man die Meldungen ja inzwischen gewöhnt, dass landstrichweise eher zweifelhafte Lehrpläne an den Schulen verbreitet werden. Die Empörung kommt zwar verhältnismäßig spät – mir sind noch Berichte von Mitschülern im Ohr, die Mitte der 90er von derartiger Lehre erzählten – aber immerhin. Es geht nicht ganz unter und erntet wenigstens hochgezogene Augenbrauen.

Ich bin kein Freund der Kirchen, und erst recht keiner des staatlich-institutionalisierten Religionsunterrichts, und schon gar keiner von pseudo-säkularen Organisationen, die ihr Glaubensbekenntnis noch im Parteinamen vor sich hertragen (man stelle sich nur das Äquivalent und den entsprechenden Aufschrei vor).

Mehr als nur eine hochgezogene Augenbraue hat heute aber der Bericht in der FR bei mir ausgelöst:

Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) plädiert dafür, die christliche Schöpfungslehre an den Schulen auch im Biologieunterricht zu behandeln.
"Ich halte es für sinnvoll, fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen aufzuwerfen", sagte Wolff, "so dass man nicht einfach Schüler in Biologie mit Evolutionslehre konfrontiert und Schüler im Religionsunterricht mit der Schöpfungslehre der Bibel. Sondern dass man auch schaut, ob es Gegensätze oder Konvergenzen gibt."

Soweit zu den hehren Zielen.

Fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen, wer von sowas allein noch träumt, hat irgendeinen Knall nicht gehört. Dazu fehlt nebst Personal schlicht die Zeit. Aber gut, gesetzt den Fall, es sei machbar.

Wie, um Himmels (!) Willen, kommt man mit dem Vorsatz auf die Idee, weltanschauliche Thesen in naturwissenschaftliche Lehrpläne einzubinden. Und die Aufweichung durch dieses "Entweder so – Oder aber auch so" noch als sinnvolle Fragestellungen zu verkaufen.

Ich habe noch nie verstanden, warum konfessioneller Unterricht ins Pflichtprogramm der Schule gehört und nicht in die Kür. Wenn ’s unsere ach so tolle Kultur ist, sollte es ohne die Zwangsunterstützung auskommen. Das aber noch auszuweiten, noch mehr Inhalte – die nun wirklich nichts mit der kulturellen Komponente zu tun haben – in andere Fächer ausstreuen zu wollen – ich kann ’s nicht ändern, mir fehlen die Worte.

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Mein eigenes kleines Sommerloch (#1)

Nichts zur Tages- oder Epochenpolitik und erst recht nichts zur WM *brrr* (hoffentlich kann ich das durchhalten). Stattdessen gebe ich mal eine meiner liebsten Geschichten zum Besten, die man so schön in Richtung Verschwörung umdeuten kann 😉

Es geht um Bier, Kirche, das Recht auf Rausch und legale und illegale Wege dorthin.

Früher, also viel früher, da gehörte das Bierbrauen wie das Brotbacken und ähnliches zur Hausarbeit und war damit Sache der Frauen. Zu solchen Zeiten wußten auch und gerade die Frauen noch eine ganze Menge mehr über Kräuter und deren Wirkungen als heute noch bekannt ist.
Auch davon unabhängig waren die Anfänge der Braukunst von viel Experimentieren, Misserfolgen (die später dann auch noch den Brauhexen zugeschrieben wurden) und einer recht kreativen Zutatenliste geprägt. Hopfen war z.B. als Geschmackszutat noch gar nicht bekannt, stattdessen wurde das Bier mit Eichenlaub, Eichenrinde und anderen schmackhaften aber harmlosen, aber auch mit so unartigen Dingen wie Stechapfel und Bilsenkraut versetzt. Wie ein solches Gebräu eingeschlagen haben muss, kann man sich wohl bildlich vorstellen.

Im späten Mittelalter fielen dann mehrere Ereignisse wirkungsvoll zusammen. Die Klöster hatten, aus Gründen der Ernährung während der Fastenzeit, das Bierbrauen angefangen und perfektioniert, dabei auch in Männerhand überführt, und auch als Geldquelle entdeckt (die wurde ihnen allerdings später auch oft wieder genommen, als das Bier wegen der Beliebtheit auch als Steuerobjekt entdeckt wurde).
Das Reinheitsgebot für Bier wurde erlassen und verbot fortan andere Zutaten als die allseits bekannten Wasser, Malz und Hopfen (und Hefe, die war damals aber noch gar nicht bekannt).
Die Hexenverfolgungen des Mittelalters hatten außerdem die kräuterkundigen Frauen besonders betroffen und viel Wissen vernichtet.

Die Gründe für die Verfolgung dieser Frauen kann man nun relativ oberflächlich auf wütenden Mob zurückführen, oder man begibt sich auf glatteres Eis und zieht in Betracht, dass die medizinische und seelsorgerische Arbeit der Frauen, zum Beispiel als Hebamme, der Kirche als Konkurrenz ein Dorn im Auge war. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit der Trance, die die inhaltsreicheren Biere mit sich brachten (von der hohen Kräuterkunde zeugen auch überlieferte Rezepte für die Hexensalben), wo doch der Gläubige als gehorsamer und steuerbarer Untertan seine Verzückung gefälligst nur auf amtlichem religiösen Wege erfahren sollte (auch hier: glatteres Eis).

So betrachtet gewinnen die harten Fakten von oben jedenfalls eine zweite interessante Bedeutung: Systematischer Ausbau des Herrschaftsmonopols der Kirche durch kontrollierte Herstellung eines berauschenden Getränks bei gleichzeitiger Ausschaltung der Konkurrenz (und ganz nebenbei noch Eliminierung einer potentiell wichtigen Rolle der Frauen, ganz am Rande).

Der Erfolg hält sich bis heute, Alkohol ist eine anerkannte Gesellschaftsdroge, immer noch tauglich für Brot und Spiele, während ungezählte andere Wege zur Ekstase/Trance oder auch banaler zum Rausch entweder in Vergessenheit geraten oder mit Verboten belegt sind (von kontemplativen Methoden mal ganz abgesehen, aber frei von Vorurteilen werden die auch nicht immer betrachtet). An die regelnde Stelle der Kirche sind Staat und Medien getreten, der Effekt bleibt immer noch der gleiche.

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