Archiv für Juni, 2010

Lärmbelästigung wegklagen

Was haben die (zumindest mittelgradig) wohlhabende Gentrifizierungsmittelschicht im Prenzlauer Berg und Bewohner eines idyllischen thüringischen Dorfs (aber nicht nur die) gemeinsam?

Sie ziehen erst wo hin, um dann wesentliche Elemente, die das Flair, das sie gerade beim Umzug suchten, hernach wegzuklagen.

Und der Irrsinn daran?

Sie kriegen Recht (in Berlin), oder der Streit tobt trotz Zugeständnissen immer noch (in Thüringen). Urteile aus anderen Gegenden wider Hahnengeschrei oder Gebimmel von
Kuhglocken gibt es vielfach.

Dabei wollen mir zwei Dinge einfach nicht in den Kopf.

1) Auf die Gefahr hin, als total unempathisch und subjektiv dazustehen. Sicherlich ist das Lärmempfinden des Einzelnen ein ungeheuer subjektives Maß. Ich bin selbst gg. bestimmte Formen von Lärm sehr empfindlich, zugegeben. Andererseits hab ich im Lauf meines Lebens an Hauptverkehrs- und Durchgangsstraßen, in direkter Nachbarschaft zu Schulen, Kindergärten, freiwilligen Feuerwehren (Sirene olé!, und wer erinnert sich noch an die regelmäßigen Sirenenproben?), Hallen mit gelegentlichen, lautstarken und bis in den frühen Morgen andauernden Veranstaltungen und etlichen Kirchen gewohnt und auch prächtig geschlafen, zu jeder Tages- und Nachtzeit (OK bei den Parties hab ich manchmal auch zur resignativen Hinnahme gegriffen und kurzerhand mitgefeiert bis dort keiner mehr stand). Zur Glanzzeit meines quasi klagewürdigen Lärmbelästigungspotentials ca. 50m Luftlinie von einer größeren Kirche mit prächtigem Geläut, drei Mal täglichem sog. liturgischem Läuten von etlichen Minunten plus viertelstündlichem Zeitschlag rund um die Uhr. Wer das erste Mal bei mir übernachtete, stand morgens früh um 6 schon mal im Bett stramm, erst recht montags, wenn die Metzgerei gegenüber die Schweine ihrem Ende zutrieb, was nicht minder gut hörbar war. Nach einigen Minuten weckte mich dann die Unruhe neben mir und ich murmelte verschlafen, die seien doch gleich fertig und zum Aufstehen wäre es doch noch etwas früh. Wenn ich gelegentlich nochmal in der Gegend übernachte, überhöre ich selbst nach Jahren der Abstinenz immer noch sämtliches Glockengeläut.
Was ich sagen will ist, man kann sich doch an erheblich mehr gewöhnen als man sich im ersten Moment vorstellen kann. Geht natürlich nicht, wenn man sich erheblich echauffiert, wenn der jeweilige Lärm zu hören ist. Unter entspannten Bedingungen ist das aber kein Staatsakt. Und die entspannte Haltung kann man sich auch bewusst zulegen, und auch da sprech ich aus Erfahrung.

2) Nach der grundsätzlichen Überlegung zu subjektivem Lärm jetzt der Punkt, den ich nun wirklich nicht einsehe. Da winkt ein florierendes Viertel voller „Szene“ und Leben oder wahlweise eine klischeehafte Bilderbuchidylle wie aus dem Heimatfilm. Es wird festgestellt, das entspricht dem momentanen Lebensentwurf, da will ich unbedingt wohnen. Gesagt,  getan, hingezogen. Offenkundig unüberlegt und unbesehen und in Unkenntnis der örtlichen Gepflogenheiten. Denn sonst könnte es ja nicht passieren, dass man von für den jeweiligen
neuen Wohnort völlig typischen, aber auch völlig untragbaren Lärmen überrascht wird. Unerschrocken wird dann aber zur Klage gegriffen, denn es kann ja nicht sein, dass die  Idylle/Szene nicht nur imagewirksam und sicht- sondern auch direkt hörbar wird, bzw. ausgereifter formuliert von A. Holm sind es offenbar:

„Ansprüche“, die Nachbarschaft nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Abgeleitet werden diese Ansprüche offenbar direkt aus dem Privateigentum – so sind die  Klagekonstruktionen im Falle des Knaack-Clubs und des Hirschhofs direkt mit dem Eigentümerstatus verbunden.  In mehr oder minder klassischer NIMBY-Manier (Not In  my Backyard) wird gegen alles geklagt, was den eigenen Lebensstil beeinträchtigen könnte.

Idiotisch genug bis hierher.
Die eigentliche Idiotie ist aber, dass dieser Gehirnerweichung zu oft auch noch stattgegeben wird, anstatt mehr oder weniger generell zu dem Schluß zu kommen: „Bist doch selbst  schuld, genau das wolltest du doch haben, genau das hast du bekommen, komm damit klar oder zieh in die Vorstadt, da gibt ’s das nicht, nur ruhige Eigenheimchen.“

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Keine Splitterbombe

Überraschung! Es war keine Splitterbombe! Die Verletzungen wurden durch
Pappe und Schutzkleidung verursacht (taz, FR).


Erfährt natürlich keine große mediale Würdigung, viel wichtiger für die
Vorbereitung des Bundeswehreinsatzes im Inneren, fortgesetze Anwendung von §129a, Diskreditierung der sozialen Protestbewegung und das Aufmotzen des bedrohlichen Linksextremismus ist natürlich ein heimtückischer Terroranschlag …

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Schnelles Feindbildbauen

Schneller als gedacht und umfassender als erwartet wird tatsächlich der Bogen geschlagen von dem ominösen Demoknaller über

  • Berufsautonome *check*
  • "nächste Stufe der Eskalation linksextremer Gewalt" *check*
  • "bürgerkriegsartige Krawalle" *check*
  • RAF *check*
  • MG *check*
  • „Freiräume-Aktionstage“ *check*
  • Prisma *check*

Sagenhaft: "Es dauerte [nach der Auflösung der RAF] fast ein Jahrzehnt, bis die an Militanz orientierte Szene
wieder die Kraft fand, über die Rituale am 1. Mai in Berlin und Hamburg
hinaus massive Gewalt zu inszenieren. Der Umschwung hat einen Namen: Heiligendamm." 

 

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Berlin, Berlin …

Zwei Tage danach muss ich mich jetzt auch mal über den Vorfall bei der Demo am 12.6. in Berlin verbreiten.

Die mediale Gesamtlage ist immer noch wie Anne es bereits gestern beschrieb, durch die jeweilige persönliche Färbung nicht ernstlich erhellend. Bleibt die Suche im Nichtgeschriebenen und zwischen den Zeilen.

Auf Annes Blogpost sei ausdrücklich verwiesen, dort finden sich auch einige hochinteressante Links, neben den Videos vom Vorfall.

In den Kommentaren bei Anne findet sich der Link zu einer kritischen Beurteilung eines der Videos. Den dortigen Kommentatoren (Nr. 18 und 19) fallen zwei Personen auf, die sich zumindest verdächtig machen, den ominösen Detonantionskörper dort gezielt und vor Allem geduldet platziert zu haben, sprich, die gesuchten agents provocateurs zu sein.

Die Meinungen, um was es sich bei dem Teil letztlich handelte, gehen von einem ‚Polenböller‘, einem in der Schweiz legalen Fabrikat namens Cobra 6 (Fefe) bis zu einer „Übungs-Knall-Handgranate“ (Kommentar # 14).

Die Tagespresse scheigt sich dazu schon wieder ziemlich aus, der Berliner Tagesspiegel ist aber noch dabei, beschreibt die eingehend schweren Verletzungen der Polizisten, die allerdings weder grob noch detailliert im Pressebericht der Berliner Polizei auftauchen.

Wirklich glücklich ist in dem Zusammenhang, dass offenbar trotz des Detonationspunktes, der sowohl von Einsatzkräften als auch von Demonstranten bevölkert war, keine Demonstranten zu Schaden gekommen scheinen, zumindest werden tatsächlich nirgendwo welche erwähnt. DIe Glaubhaftigkeit von selbstpostenden Augenzeugen bei Indymedia ist mir in etwa gleichauf mit einer Splitterbombenmeldung, die sich darauf beruft, dass die „dpa“ das „erfahren habe“ (SpOn).

Wirklich sonderbar erscheint mir, dass laut Tagesspiegel sogar zwei Zivilpolizisten die „mutmaßlichen Werfer“ des ominösen Detonationskörpers beobachtet haben wollen, die Tatverdächtigen auch rd. 2h später verhaftet werden konnten, jedoch habe der Tatverdacht nicht ausgereicht, um Haftbefehle beantragen zu können. Wohlgemerkt, obwohl Polizistenin Zivil den Wurf gesehen haben wollen. Wer sich erinnert, bei zwei jugendlichen Verdächtigen, denen das Werfen eines Brandsatzes zur Last gelegt wurde, reichte der Tatverdacht trotz Entlastungszeugen für sieben Monate U-Haft (z.B. taz).

Im kleinen Satz am Rande wird beim Tagesspiegel dann übrigens erwähnt, dass die These von der Splittergranate, also der absichtlichen Versetzung des Explosivkörpers mit Nägeln oder anderen Kleinteilen, bislang reine Medienvermutung ist und nicht von offizieller Seite bestätigt wurde. Was für Kleinteile den verletzten Polizisten also mehrere Zentimeter tief in die Beine eingedrungen sein sollen, ist damit weitgehend ungeklärt. Welch wunderbarer Fügung ist es aber zu verdanken, dass die Einsatzkräfte just 10 Sekunden vor der Explosion noch ihre Helme aufgesetzt haben!

Also mir kommt die ganze Sache massiv spanisch vor.

Update:
Aus Sicht der Polizei sind bislang keine direkten Augenzeugen des Vorfalls bekannt.“ (Berliner Morgenpost) – ja was denn nun …
Dafür weiß die MoPo angeblich schon, wie die Kracher beschaffen waren, woher auch immer: Sie wurden „
aus polnischen oder italienischen Feuerwerkskörpern gefertigt. Die Täter haben die hierzulande illegalen Böller demnach mit brennbaren Flüssigkeiten und Metallteilen aufgerüstet.“

Naja und nebenbei, war klar, gereicht das auch sofort als Argument für Vorabdurchsuchungen von Demoteilnehmern, was ein Verfassungsgericht dazu urteilt, sei nicht  „realitätstauglich“, meinte der Innensenator Ehrhart Körting (SPD).

Update 17.6.:
Wie aus einem unklaren Fall neuer „Linksterror“ wird – eine Chronologie.“ (taz)

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Zement

Vorab: Ich bin müde und die Nahostpolitik ist mir als Parkett eigentlich zu glatt.

Was ich allerdings grade eben gelesen hab, geht mir über die Selbstbeherrschung.

Der irische Frachter hat unter anderem 560 Tonnen Zement an Bord. Israel
lässt bislang keinen Zement in den Gazastreifen. Als Grund gibt die
Regierung in Jerusalem an, dass die im Gazastreifen herrschende
radikal-islamische Hamas damit ihre militärischen Strukturen neu
aufbauen könnte. (FR)

Primär bildhafte Assoziationen .. *wegwisch* und sekundär leuchtet mir nicht ein, wie man Zement offensiv verwenden kann bzw. was Zement bei einer Rekonstruktion militärischer Strukturen besonders wertvoll macht. Vllt. kann mich ja jemand erhellen.

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Woohoo

Via Fefe:

Eine Visualisierung des Öl-Desasters im Golf von Mexico auf die eigene Region. Wahlweise anhand Location Data des Browsers oder um frei wählbare Städte herum.

Ööööhm hoppla :-/

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