„Cineastische“ Nebenwirkungen
Ist es zynisch, wenn einem zu einer Meldung:
"15-Jähriger schießt Schulleiter nieder
[…]
Ein 15-jähriger Junge im US-Staat Wisconsin ist mit einem Gewehr in die Schule gestürmt."
als erstes einfällt:
"War Wisconsin wirklich so schlimm?"
(Der Rektor ist übrigens zwar nicht wohlauf, aber wohl doch nur unspektakulär verletzt, da dazu nichts weiter vermerkt wurde …)
Ausrisse
Und zwei Worte des Hurrelmannschen Fazits von der ‚immer noch konstruktiven Einstellung zur Gesellschaft‘ lassen etwas aufmerken: Das ‚immer noch‘ zeigt an, dass sich dies durchaus auch ändern könnte, wenn die Entwicklungen etwa die Angst vor der beruflichen Zukunft weiter vergrößern. Jüngere Menschen in England beschäftigen sich, wie eine Untersuchung von Angestellten unter 35 Jahren zeigt, in ihren Träumen wieder mit etwas, das hierzulande scheinbar außer Mode gekommen ist, der Ausstieg aus dem Stress: Für 40% stehen weder Karriere noch Konsum an erster Stelle ihrer Wünsche, sondern ‚Downshifting‘, der ‚Tausch einer finanziell attraktiven, aber stresserfüllten Karriere gegen eine weniger anstrengende, aber mehr erfüllende Lebensweise mit geringerem Einkommen‘. (1)
Es gibt einen starken Zeitgeist, der die Freiheitsrechte des Einzelnen nicht mehr als Bedingung eines Zusammenlebens, sondern als eine Gefahr dafür sieht. Die Dämonisierung der Raucher ist nur ein kleiner Teil dieses Problems, aber zusammen mit den anderen Teilen wird es ein großes gefährliches Ganzes. Die Frontlinie des Kampfes gegen die Einschränkung der persönlichen Freiheitsrechte aller Bürger verläuft deshalb auch mitten durch dieses Schlachtfeld. (2)
Telepolis mal wieder. Auch wenn ich den zwei Lesern dieses Blogs kaum einen TP-Artikel werde unterjubeln können, den sie nicht schon kennen … Die Artikel haben mir doch zu sehr gefallen.
Zu (1): Am Ende besteht doch noch Hoffnung?
Zu (2): My work here is done, ich geh erstmal eine rauchen …
„Wohnpreis-Irrsinn“ nach St. Florian
Verfasst von asynchron unter (fuck) economy am 2006/09/21
Schneller als gedacht hab ich doch schon was gefunden zum mich drüber verbreiten. Der SpOn mal wieder:
"Wohnpreis-Irrsinn an der Moskwa
Russland hat sich mit Inbrunst dem Kapitalismus hingegeben, und am deutlichsten merkt man das bei den Wohnungspreisen. Pro Quadratmeter müssen Käufer in Moskau schon 4000 Dollar zahlen – viele Experten erwarten einen weiteren Anstieg. Einfache Bürger halten da längst nicht mehr mit. …"
So ganz kann sich der Artikel dann nicht entscheiden. Einerseits will er wohl die enormen Preise schlicht bewundern – und übersieht dabei glatt, dass m²-Preise von 3100€ im Mittel auch in Deutschland leicht zu erreichen sind (mittlere Lage, mittlerer Preis, 3-Zi./80m² in München, laut SZ-Immobilienspiegel) und dass das nicht etwa "ein Vielfaches der Preise in deutschen Großstädten" ist. Klar ist München nur ein Beispiel, aber die Münchner Preise beispielsweise gehen noch weit höher, andere Ballungsräume halten da preislich auch durchaus noch mit.
Andererseits kommt man doch als kritischer Mensch offenbar selbst beim SpOn nicht umhin festzustellen:
"So oder so – die Preise sind jetzt auf einem Niveau, das einfachen Bürgern den Kauf einer Wohnung nicht mehr erlaubt. Vize-Premier Dmitrij Medwedjew ist alarmiert: ‚Seit Anfang des Jahres wachsen die Preise für Wohnraum in den großen Städten. Die reale Möglichkeit, Wohnraum zu erwerben, sinkt daher für einen bedeutenden Teil von Familien.’"
Wahrscheinlich war das dann der bewusst oder unbewusst gewählte Hintergrund für die These, in Moskau sei das alles noch viel teurer als hier in Deutschland – sonst müsste man sich ja hierzulande auch Gedanken drum machen, ob Wohnraum noch erschwinglich ist.
Hier in Deutschland ist ja alles lange nicht so teuer, und wir haben ja auch noch Bausparverträge. Jeder einfache Bürger hierzulande hat doch eine repräsentative Wohnung in der Innenstadt, oder nicht?
Sprachlos
Nun, noch nicht ganz.
Viel fällt mir aber auch nicht mehr ein, und das Beste wurde schon von anderen verbloggt, wie z.B. hier zum Papst, hier auch ohne aktuelles Zeitgeschehen, deswegen aber nicht weniger hilfreich zu GPG. Außerhalb von Blogs auch mal hier, wenn auch nicht total am Thema aber doch wenigstens sowas ähnliches wie ein überregionales Medienecho zu dem ewigen Un-Thema Studiengebühren.
Hinweisen muss ich ohne Zweifel auch auf die Aktion Rettet das Internet, man ist ja vor nichts mehr sicher. Ok, solang ich noch bloggen kann, ohne auf 25 Arten meine Identität offenbart zu haben, muss ich wenigstens hier kein Blatt vor den Mund nehmen.
Witzig auch die Aufgabe der Deutschen Nationalbibliothek, das Internet (oder zumindest das deutschsprachige) zu archivieren.
Besonders originell formuliert:
"… bei ‚unkörperlichen Medienwerken‘ können sie auch zur Abholung bereitgestellt werden …"
Damit hat sich doch die Sach‘ eh erledigt. Seite ist online, damit abrufbar, quasi abholbar … Kommt und holt ’s euch đ – Ein Grund mehr, kein ordnungsgemäßes Impressum zu haben *ggg*
Kurz ein Link
Verfasst von asynchron unter Arbeit - GeiĂel der Menschheit, HartzIV, Link am 2006/07/21
Letzter Teil (?) der Telepolis-Artikelreihe zu ALG2/HartzIV
Konsum ist die erste BĂŒrgerpflicht
Verfasst von asynchron unter (fuck) economy am 2006/07/14
Vom aktuellen Zustand mal ganz abgesehen, in dem das zweifelsfrei auch schon eine wichtige Rolle spielt, Geiz für geil zu halten und das vermeintlich billige Konsumgut dann aber auch hemmungslos zu verkonsumieren.
Etliche Modelle für ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) sehen zur Finanzierung den Konsum vor, bzw. eine Konsumsteuer, also in der praktischen Durchführung dann die Mehrwertsteuer. Im Ausgleich dazu sollen die Verkäufer der konsumierbaren Güter dann übrigens auch so nett sein, die Entlastungen durch den Wegfall aller anderen Steuern (denn das ist gleichzeitig auch geplant, zumal im Modell von DM-Chef Werner) auch an den Preis der Güter weiterzugeben. Auch dieses wäre diskutabel, aber zurück zur konsumbesteuerten Finanzierung.
Ein gewisser Bodensatz von Konsum kann wohl als gegeben angenommen werden, da er zur Lebens(er)haltung unabdingbar ist. Um den gesamten staatlichen Überbau und ein BGE für alle zu finanzieren, werden Konsumsteuern aus dem Lebensnotwendigen spärlich ausreichen (auch wenn ich mir die Recherche und überschlagsmäßige Berechnung spare, halte ich die Behauptung eher für schlüssig).
Damit also das System nach seiner Einführung nicht sofort wieder zusammenbricht, wird Konsum zur ersten Bürgerpflicht, denn nur durch Konsum finanziert er sowohl sein eigenes BGE als auch den Rest des Staatswesens. Werner (scheint eine Kritik an seinem Konzept zu werden) postuliert für das BGE auch, dass ja keiner mehr groß sparen muss für Altersvorsorge oder schlechte Zeiten, denn es gibt ja das BGE – da freut sich natürlich auch der Verkäufer, wenn das Geld wieder in Fluss kommt und keiner mehr seinen Sparstrumpf füttert.
Aber was bedeutet die Konsumpflicht eigentlich?
Egal ob nur vom BGE gelebt wird oder noch anderweitig zusätzliches Geld erwirtschaftet wird, größere Reserven lohnen sich nicht nur nicht, sie gefährden auch den Bestand des Systems.
Also: Kaufen, kaufen, kaufen.
Eine gewisse Menge Geld wird, wie schon bemerkt, durch die Lebens(er)haltung verbraucht. Darüberhinaus kann man sich, als wohlerzogener Konsument, sicher bis auf weiteres einiges vorstellen, was man sich schon immer kaufen wollte. Doch ist der Zeitpunkt absehbar, wo man alles hat (oder wahlweise nichts mehr unterbringen kann), ein Gipfel erreicht ist.
Da nun aber dauerhaft Nicht-Kaufen auch nicht geht, was wird da passieren? Es wird weggeschmissen werden müssen, entweder weil es überhaupt kaputt ist, oder irgendwelchen Standards nicht mehr genügt. Wo die Tage einer dauerhaften Anschaffung ohnehin schon lange vorbei sind, wird sie so endgültig verunmöglicht. Man wird die Leute schon irgendwie dazu bringen, sich einen neuen Fernseher anzuschaffen: Entweder der alte gibt nach 25 Monaten termingerecht außerhalb der Garantie den Geist auf, oder man führt einen neuen super-duper-hyper-Standard (und außerdem so cool, dass keiner dran vorbeikommt) ein, den das alte Gerät natürlich nicht mehr beherrscht. Das Beispiel ist fast beliebig transferierbar.
Und so liegt dann im Schatten des Konsumenten- und Verkäufer-Wunderlands mit BGE ein Müllberg von Ausrangiertem und vermutlich auch noch die Baracken, in denen die vegetieren, die anderswo ohne BGE den billigen Schrott zusammengesetzt haben.
Salvatorische Klausel:
Die Idee eines BGE an sich halte ich für sehr positiv. Allerdings sollte man noch sehr sorgfältig die Nebeneffekte und Folgen diskutieren, und dabei auch bedenken, dass keiner auf einer Insel lebt.
VerdÀchtig
Telepolis setzt die Artikelreihe fort.
Die Möglichkeiten der umgekehrten Beweislast muss man sich mal ganz schonungslos klarmachen. Im Zuge der Gleichberechtigung bzw. Gleichbehandlung auch gleichgeschlechtlicher Partnerschaften muss bei umgekehrter Beweislast also bei allen Zusammenlebenden von einer eäG ausgegangen werden.
Die Lebensform Wohngemeinschaft wird damit faktisch schon mal abgeschafft.
Originell wird es da, wo man sich ganz hypothetisch ausmalt, was in 3er oder 4er Wohngemeinschaften alles an Unterstellungen auftauchen kann. Die ménage à trois oder quattre ist dabei noch fast harmlos. Ein verzweifeltes Aufstöhnen befürchtete letztens, dann würde einem glatt noch Professionalität unterstellt und man müsste ein Gewerbe anmelden. Mit Abschaffung der Ich-AG bietet das nicht einmal mehr Perspektiven.
Zuguterletzt, und das ist nicht mal mehr neu geschweigedenn irgendwo unbemerkt geblieben, hat aber nichts von seiner Tragweite verloren:
Weder das Vorhandensein noch das Nichtvorhandensein einer eäG sind irgendwie beweisbar. Mit der Beweislastumkehr, die ja auch eine Abschaffung der Unschuldsvermutung darstellt, wurde der schwarze Peter, mit einer nicht beweisbaren Unterstellung dazustehen, nur von den Ämtern, pardon, Agenturen zu den Leistungsempfängern verschoben. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt.
Verliebt in den Widerstand?
Die SZ gibt sich zum Thema Studiengebühren zwiegespalten. Zuerst kommt der Darmstädter Professor Dr. Michael Hartmann zu Wort – im Politikteil (28.6.).
Kurz drauf fand sich im Fuilleton (!?!) unter dem Titel "Die bigotte Revolte – Warum sich Frankfurter Studenten mit Polizisten prügeln" etwas ganz anderes (8.7.), das ich beim besten Willen nicht unkommentiert lassen kann.
Da wird einer nicht näher bezeichneten, wohl aber eingangs kunstgerecht diffamierten Gruppe ("der wilde Trupp") die Verworrenheit und mehr noch, die glatte kausale Fehlerhaftigkeit ihrer Argumente vorgeworfen. Dabei wird die Hilflosigkeit, die den Protesten zugrunde liegt, gar nicht erst wahrgenommen:
Dass nämlich nie eine saubere Diskussion über Studiengebühren überhaupt stattgefunden hat, die über die Anforderungen eines nicht näher bestimmten Marktes hinauszuschauen im Stande war.
In der Kürze der Zusammenfassung ist sogar stringent, dass man nicht einerseits die Verschacherung der Bildung als Ware anprangern und gleichzeitig für Bildung als Standortvorteil, gar Rohstoff argumentieren kann. Dass diese krude Argumentation jedoch lediglich die Reaktion auf eine derart geführte Debatte ist, die jedes anders geartete Argument nicht gelten lässt und die in logischer Konsequenz dazu führt, Bildung durch Ausbildung zu ersetzen, bleibt außen vor.
Gleichermaßen bleibt die immanente Schwäche des Arguments der Befürworter dem Kommentator im Dunkeln, wenn er vorwirft, aus dem "geschuldeten" Studium werde auch noch ein erheblicher Gehaltsanspruch abgeleitet. Dies gerade ist ja der Hohn der Argumentation, dass nämlich das Abzahlen eines Studienkredites damit schmackhaft gemacht werden soll, dass man nach Abschluss ja gut verdient. Gleichzeitig setzt die "Grenze" der Rückzahlung aber kurz oberhalb der Armutsgrenze an und eine Verschiebung nach oben wird abgelehnt: Dann würden zuviele potentiell einnehmbare Gebühren nicht eingenommen werden können. Verdient man am Ende mit abgeschlossenem Studium ohnehin nicht mehr automatisch gut?
Umso angebrachter wäre eine Finanzierungsmethode, die tatsächlich nur die Gutverdiener zur Kasse bittet, und wie einfach wäre diese ohne neu aufzubauenden Verwaltungsapparat durch Besteuerung zu erreichen!
Wenig später verwickelt sich der Autor dann gänzlich in seiner eigenen Polemik.
Vorneherum prangert er an, die Studenten "drohten" damit, die Nicht-Abiturienten künftig auf die Hilfsarbeiterplätze zu verweisen, kurz drauf jedoch droht er selbst damit, dass die Studenten und ihre Bildung keiner mehr braucht, was diese bloss nicht in der Lage seien zu sehen.
Das alles kann, so scheint es dem Autor schlüssig, nur daran liegen, dass die Protestierer in den Widerstand verliebt seien. Zugegeben: Spätestens seit dem Erfolg der französischen Demonstrationen gegen das CFE hat Protest wieder an Sexappeal gewonnen. Vorangegangen und begleitend sind jedoch allzu viele ernstgemeinte Ansätze zur Diskussion, die nie ergebnisoffen hat sein dürfen und daher – zurecht – abgelehnt wurde. Doch über die Faust in der Tasche lässt sich kaum schimpfen, über den randalierenden Mob hingegen vortrefflich.
Nicht unveröffentlicht bleiben darf auch die Ergänzung meines Kommentars von freundlicher Hand des Meisters:
Die Argumente von STEINFELD scheinen mir beliebter Studenten-Talk: Dreh’ das Argument einfach rum, zeige den anderen mal, was sie falsch machen und keckere ein bißchen drüber. Aber: Die Entwicklung der Argumente hätte er diskurstheoretisch und in »historischer« Abfolge betrachten müssen. Denn für sich genommen (»aus dem Zusammenhang gerissen«) erscheinen die Argumente natürlich krude.
Sie sind deshalb aber noch nicht falsch, da tatsächlich Leute Studiengebühren einführen, die aus ihrer eigenen Vita argumentieren: »Studium lohnt sich; man bekommt danach gut bezahlte Posten« und »warum soll einer, der hinterher die dicke Kohle abgreift, nicht eine Gebühr für die Eintrittskarte dazu zahlen? Zumal sie gemessen am späteren Gewinn lächerlich klein ist!« – Genau diese Leute profitierten von einem gebührenfreien Studium und verdienen die dicke Kohle, haben aber den inzwischen eingetretenen Paradigmenwechsel: Studium »lohnt« sich oft gar nicht mehr, es ist eher die Möglichkeit, einen der wenigen halbwegs bezahlten Jobs (nicht Posten, nicht Ämter!) zu bekommen. Denn ohne sind die Einstiegsmöglichkeiten ins Berufsleben ohnehin mau (nicht lau… okay…).
Ich denke, dass nicht die Studenten die Haupt- und Realschüler »als Geiseln« nehmen, sondern die Gesellschaft dies längst schon entschieden hat. Wer früher einen »anständigen« Hauptschulabschluss hatte, der konnte auch auf »anständige Arbeit« hoffen. Heute wird man mit diesem (inzwischen pseudo-abiturientierten) Abschluss weder Friseurin noch Bäcker, nicht Mechaniker noch Schreiner. Es gibt nämlich einfach keine Stellenausschreibungen mehr für Hauptschüler. Ähnlich verhält es sich bei Realschülern. Büro- und Verwaltungsjobs, für die dieser Schulzweig einst geschaffen wurde (»Realgymnasium«!) werden heute kaum noch unter Abitur vergeben.
Dass die Demo-Studies dieses Argument also bringen, ist einfach nur ein Anschluss-Argument an die ohnehin bereits laufende Diskussion, da man ja nicht einfach »ins Blaue« oder »akademisch« demonstrieren kann.
Daher auch der »patriotische« Strang: Wie kann man dem »Herrscher« kommen, als mit dem Argument, dass ihn die von den Studenten gewünschte Regelung auch nütze? Denn er sitzt schließlich am Hebel, und niemand sonst. Also muss man »ihm« den gewünschten Zustand schmackhaft machen, ebenso wie dem »neutralen« Publikum, das staunend am Straßenrand steht und sehr wohl glaubt, dass Studiengebühren was gutes seien, da (wenigstens hier schon) Leute zur Kasse gebeten würden, die später sicher »die dicke Kohle« abgreifen. Denn das hat »der Herrscher«, die Union in Hessen längst geschafft: Das alte Schmarotzer-Bild der Studenten, die später noch parasitärer auch die Managersessel stürmten, wiederauferstehen zu lassen.
Insofern kämpfen die Studenten gegen einen fast umgedrehten »Klassenkampf«, dessen Takt komischerweise von der Landesregierung vorgegeben wird…
Stolz
Kam mir in einem diese unsäglichen Internetforen doch mal wieder die Frage unter: "Dürfen Deutsche einen Nationalstolz haben?", aufgehängt an der Aktion einer PDS-Abgeordneten, gegen die Flaggenflut zur WM vorzugehen.
Diese Aktion und die kräftig bejahenden Antworten in dem erwähnten Forum mal ganz außen vor gelassen, stellt sich mir eine ganz andere Frage: Was ist eigentlich dieser Nationalstolz, wahlweise auch Patriotsmus, und wie bringt man den auf?
Mir persönlich ist das ein komplettes Rätsel.
Es gab in der Geschichte der Welt einen Haufen wichtiger Menschen, die sind auch überall auf der Welt verteilt gewesen und haben überall auf der Welt verteilt gewirkt. Ein paar davon lebten und wirkten zufällig in dem selben Landstrich, in dem eine Einzelperson ebenso zufällig geborten wurde und lebt.
Die wichtigen Menschen und ihre Leistungen für die Menschen der Welt zu würdigen ist ja nun eins. Aber für die Zufälle, die den einen und den anderen in die selbe Gegend verschlagen haben, kann man sich doch keinen Stolz ableiten.
Dann hab ich in eben diesem Forum mal die selbe Frage wie oben gestellt. Ein Statement dazu enthielt: "Patriotismus ist das, worauf man sich berufen kann, wenn man zeigen will, was die eigene Nation leisten kann."
Das Stück mit der Nation ist ja jetzt das, was mich interessiert.
Die eigene also.
Meine eigene? Toll, ich hab eine Nation!
Eine Nation!
Aber, wie komm ich denn dazu? Will ich das eigentlich? So ein zufälliges Häufchen, völlig beliebig zusammengesetzt und mit einem Label versehen?
Und die Nation kann sogar was leisten!
Aber ist das denn wichtig, was die leisten kann? Muss da der Vergleich zu anderen Zufallsgruppen mit anderem Label gezogen werden?
Alle Welt spricht von Globalisierung, aber dann geht ’s auf einmal wieder um Nationalstolz?
Da weiß doch keiner, wovon er überhaupt spricht.
Klar fühlt man sich mit dem ein oder anderen verbunden, hat möglicherweise sogar so etwas wie ein Heimatgefühl.
Aber das für ein Konstrukt in gedachten Grenzen anzunehmen, anstatt sich endlich mal bewusst zu machen, dass alle bloss Menschen sind, ist kurzsichtig, fast schon buchstäblich.
Euphemismen
Unter „Sozial schwĂ€cher gestellt“ gab es folgenden Kommentar:
Ist es aber nicht schöner, das Kind ein wenig im Ungewissen zu lassen und von »sozial« statt find »finanziell schwĂ€cher gestellt« (welch hĂ€Ăliches Wort) zu sprechen?
Euphemia leuchte uns auf allen Pfaden, dann gehen wir wenigstens wohl beduftet baden… (Meister aho)
Klar, baden gehen werden wir sowieso. Da helfen auch keine Berufsdemonstranten, Brotspiele, Sommerlöcher oder -theater geschweigedenn der feste Wille zur Besserung mehr. Da könnte man sich doch auch ne schöne Zeit machen, die Augen vor allem verschlieĂen, die Schuld fĂŒr das Elend der Welt bei den Kommunisten, Schiedsrichtern, LeistungsempfĂ€ngern, Frauen und anderen Minderheiten suchen. BloĂ nicht bei sich und denen, die so nett waren, das Feindbild zu vermitteln und die Anschauung der RealitĂ€t vorzubereiten.
Wenn denn schon alles verloren ist … Hey, an den Tagen, an denen ich das auch denke, schreibe ich auch nicht in den Blog, ist doch auch schon egal …
An den Tagen jedoch, wo ich schreibe, da schreibe ich auch gegen KollateralschĂ€den und Humankapital, gegen soziale SchwĂ€cherstellung und Mitarbeiterfreisetzung, gegen dieses ganze linguistische Prozac und den geistigen WeichspĂŒler an, die Welt wird schlieĂlich nicht dadurch besser, dass man sie kuschelig benennt.