Sommerlochthema Homöopathie


Eigentlich wollt ich mir dazu jedes Wort verkneifen. Homöo-Pro und Homöo-Contra sind in etwa wie Windows- und Linux-Fans in ihren besten Zeiten.

Eine erholsam pragmatische Ansicht gab ’s im [i:rrhoblog] zu lesen.

Was mich in der Tat wirklich stört, und zwar obwohl ich das Flamewar-Potential des Themas eigentlich kenne, dass bei den Homöopathie-Bashern schlicht die Rollläden runterzugehen scheinen. Sogar Fefe entblödet sich nicht, Godwin’s Law zu erfüllen (und das noch in Co-Produktion mit dem Ex-Nachrichtenmagazin, das gibt einen Stockhieb zusätzlich).

Ziemlich übel find ich auch die Scheuklappen-Argumentation von korrupt (den ich ja eigentlich total mag, um so geschockter bin ich), denn sie kann so leicht gegen alle verwandt werden.

1. Wer Esoscheiße will, soll sie selbst bezahlen.
Wenn ich zum Hellseher gehe oder zum Medizinmann, wenn ich das Ki in meiner Bude vom Experten zum Fließen bringen lasse oder wenn ich eben die Komplementärwirkung von Hundescheiße homöopathisch verschüttelt haben will: immer gerne. Aber nicht auf Kosten anderer.

Umkehrung: Wer rauchen/dick sein/Sport treiben/Kinder kriegen/60 Jahre alt werden will, soll das selbst bezahlen. Hintenraus überspitzt, die Anfänge davon erleben wir aber schon. Das Argument, dass die nutzlose Homöopathie immerhin nur einen Bruchteil der hilfreichen Apparate- und Pharmako-Therapien kostet, gilt ja ohnehin nicht, siehe Punkt 4.

2. Kassenärzten, die Homöopathie anbieten, sollte die Zulassung entzogen werden.
Ein Hochschulstudium, insbesondere ein Promotionsstudium dient dem Erlernen des wissenschaftlichen, evidenzbasierten Arbeitens. Wer Patienten Homöopathie anbietet, hat das entweder trotz Promotion nicht erlernt oder er er arbeitet wissentlich mit wirkungsloser Scharlatanerie, weil er so eben noch ein paar Esotrottel mehr bei der Kasse abrechnen kann. In beiden Fällen sehe ich die Grundlagen für eine ärztliche Tätigkeit nicht gegeben.

Umkehrung: Der Einsatz von Placebos wird ab sofort ebenfalls geahndet, da wissentlicher Einsatz von wirklungslosen Mitteln.
Zweiter Gedanke: Akademikern, Administratoren, Eltern … die Zweifel an 100%iger Treue zur staatstragenden Doktrin erkennen lassen, sollte die Zulassung/Erlaubnis entzogen werden … Ja, ich bin so polemisch, den Homöopathie-Hass als Doktrin zu bezeichnen. Dazu kommt gleich noch was.

3. pulle ich mal ne Zensursula: Homöopathie ist Kindesmisshandlung
Wenn erwachsene Leute sich die Globuli reinpfeifen, läuft das unter Selbstverantwortung (auch wenn ich angesichts der esoterischen Durchseuchung der angeblichen “Wissensgesellschaft” da vielen Leuten nicht vorwerfen kann, dass sie es eben nicht besser wissen). Aber die Kinder können mal gar nichts dafür. Und die werden von ihren alternaiven Eltern drauf konditioniert, dass es für jeden Dreck ein Kügelchen gibt, das man sich reinpfeifen kann. So schafft man Zukunftsmärkte. Dass in den einschlägigen Kreisen auch meist die üblichen, bösartigeren Kindsmisshandler wie Impfgegner und Virenleugner anzutreffen sind, ist an der Stelle nur Randnotiz, aber ich wills anmerken.

Umkehrung: Wie liest man es noch immer wieder gern, wieviel % der Schulkinder kriegen zum aktuellen Stand eine fixe Dauermedikation, insbesondere gg. (vermeintliches) ADHS? Und lernen die Kinder von ihren Schmerzmittel-, Betablocker-, Tranquilizer-, Aufputschmittel- und Prozac-reinpfeifenden Eltern etwa nicht, dass es für jeden Dreck eine Pille gibt?
Die Anführung einer mehr als zweifelhaften Untergruppe der Homöopathie-Befürworter kratzt auch hart an den üblichen Usenet-Laws. Wenn auch nur als Randnotiz. Aber warum zurückstecken, wenn man diskreditieren und über einen Kamm scheren kann.

4. Es geht nicht ums Geld, sondern gegen die Verdummung
Es ist mir scheißegal, wenn ein D20-Verschüttler auch nachts und bei Vollmond weniger kostet als ein Angestellter in der Medikamentenproduktion. Es geht gegen die Verblödung der Gesellschaft mit esoterischem Schwachsinn. Es geht darum, dass die Leute endlich wissen, dass die Homöopathie wirkungsfreier Hokuspokus ist, und ich rede jetzt nicht von der Klientel, deren Schnupfen statt nach ner Woche mit Globulibehandluing bereits nach sieben Tagen vorbei war. ich habs x-mal zu lesen und zu hören bekommen, wie Leute Therapieodysseen, unter anderem eben auch mit wirkungslosem Müll wie Homöopathie hinter sich gebracht hatten, einfach weil sies nicht besser wussten. Und je nach Krankheit trägt man da Folgeschäden mit sich rum. Je weniger Scharlatanerie und esoterischer Blödsinn eine solche Adelung durch Kassen und Ärzteschaft erfährt, desto besser für die Patienten. Und an sich ist es ein Trauerspiel, dass man sowas *gegen* manche Kassen und “Ärzte” durchsetzen muss. Von der Politik ist man entsprechende Klientelpolitik ja gewohnt…

Umkehrung: Alles was derzeit nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden mess- und erklärbar ist, ist nichtexistent. Inklusive Intellekt und freier Wille (wie passend, ist das doch die aktuell hippste Lehrmeinung der Neuropsychologie).
Die Gegengeschichten von Therapieodysseen mit Happy End beim Homöopathen werden ja nicht gelten gelassen (siehe Kommentardiskussion bei korrupt, will er auch gar nicht mehr lesen, laut Kommentar #10), also spar ich mir die. Wieso nur gelten aber die Negativbeispiele? Ach ja, weil man Hypothesen nicht beweisen sondern nur widerlegen kann. Unsauber an der Argumentation find ich nur, wenn die „alternative“ Behandlung scheitert, gilt das als Negativbeleg gegen die Methode. Wenn die naturwissenschaftlich fundierte Behandlung scheitert, war es ein Kunstfehler oder jede Hilfe kam halt zu spät.
Da könnt ich mich fast wirklich echauffieren, mit einer ähnlichen Inbrunst, mit der die Gegner sich gegen Impfungen ereifern, wird zur Hexenjagd gegen Homöopathie geblasen und dabei die Apparate- und Pharmakotherapie außerhalb jeden Zweifels gerückt, als gäbe es keine Nebenwirkungen, Kunstfehler und fehlenden Antworten auf diese oder jene Krankheit. Drum ging ich auch soweit, das als Doktrin zu bezeichnen.

Fundamentalistische Ansichten sind niemals gut. Auf keiner Seite. Man hüte sich davor!

Und auch wenn ’s jetzt in den argumentatorischen Fluß nicht mehr reinpaßte, muss ich trotzdem noch drauf rumreiten, einerseits wird vorgerechnet, dass in den Potenzen ohnehin nicht mal mehr ein einziges Molekül des „Wirkstoffs“ mehr drin ist, auf der anderen Seite wird sich drüber aufgeregt, was da so alles Verwendung findet. Ja, ist nun nichts drin, dann ist es doch auch egal oder? Oder bleibt doch irgendwas übrig, das die Empörung über ein Hundekot-Mittelchen rechtfertigt, wo kommt es denn dann her, wenn doch nicht messbar? Hinter der „Logik“ komm ich jedenfalls nicht hinterher.

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