Die SZ gibt sich zum Thema Studiengebühren zwiegespalten. Zuerst kommt der Darmstädter Professor Dr. Michael Hartmann zu Wort – im Politikteil (28.6.).
Kurz drauf fand sich im Fuilleton (!?!) unter dem Titel "Die bigotte Revolte – Warum sich Frankfurter Studenten mit Polizisten prügeln" etwas ganz anderes (8.7.), das ich beim besten Willen nicht unkommentiert lassen kann.
Da wird einer nicht näher bezeichneten, wohl aber eingangs kunstgerecht diffamierten Gruppe ("der wilde Trupp") die Verworrenheit und mehr noch, die glatte kausale Fehlerhaftigkeit ihrer Argumente vorgeworfen. Dabei wird die Hilflosigkeit, die den Protesten zugrunde liegt, gar nicht erst wahrgenommen:
Dass nämlich nie eine saubere Diskussion über Studiengebühren überhaupt stattgefunden hat, die über die Anforderungen eines nicht näher bestimmten Marktes hinauszuschauen im Stande war.
In der Kürze der Zusammenfassung ist sogar stringent, dass man nicht einerseits die Verschacherung der Bildung als Ware anprangern und gleichzeitig für Bildung als Standortvorteil, gar Rohstoff argumentieren kann. Dass diese krude Argumentation jedoch lediglich die Reaktion auf eine derart geführte Debatte ist, die jedes anders geartete Argument nicht gelten lässt und die in logischer Konsequenz dazu führt, Bildung durch Ausbildung zu ersetzen, bleibt außen vor.
Gleichermaßen bleibt die immanente Schwäche des Arguments der Befürworter dem Kommentator im Dunkeln, wenn er vorwirft, aus dem "geschuldeten" Studium werde auch noch ein erheblicher Gehaltsanspruch abgeleitet. Dies gerade ist ja der Hohn der Argumentation, dass nämlich das Abzahlen eines Studienkredites damit schmackhaft gemacht werden soll, dass man nach Abschluss ja gut verdient. Gleichzeitig setzt die "Grenze" der Rückzahlung aber kurz oberhalb der Armutsgrenze an und eine Verschiebung nach oben wird abgelehnt: Dann würden zuviele potentiell einnehmbare Gebühren nicht eingenommen werden können. Verdient man am Ende mit abgeschlossenem Studium ohnehin nicht mehr automatisch gut?
Umso angebrachter wäre eine Finanzierungsmethode, die tatsächlich nur die Gutverdiener zur Kasse bittet, und wie einfach wäre diese ohne neu aufzubauenden Verwaltungsapparat durch Besteuerung zu erreichen!
Wenig später verwickelt sich der Autor dann gänzlich in seiner eigenen Polemik.
Vorneherum prangert er an, die Studenten "drohten" damit, die Nicht-Abiturienten künftig auf die Hilfsarbeiterplätze zu verweisen, kurz drauf jedoch droht er selbst damit, dass die Studenten und ihre Bildung keiner mehr braucht, was diese bloss nicht in der Lage seien zu sehen.
Das alles kann, so scheint es dem Autor schlüssig, nur daran liegen, dass die Protestierer in den Widerstand verliebt seien. Zugegeben: Spätestens seit dem Erfolg der französischen Demonstrationen gegen das CFE hat Protest wieder an Sexappeal gewonnen. Vorangegangen und begleitend sind jedoch allzu viele ernstgemeinte Ansätze zur Diskussion, die nie ergebnisoffen hat sein dürfen und daher – zurecht – abgelehnt wurde. Doch über die Faust in der Tasche lässt sich kaum schimpfen, über den randalierenden Mob hingegen vortrefflich.
Nicht unveröffentlicht bleiben darf auch die Ergänzung meines Kommentars von freundlicher Hand des Meisters:
Die Argumente von STEINFELD scheinen mir beliebter Studenten-Talk: Dreh’ das Argument einfach rum, zeige den anderen mal, was sie falsch machen und keckere ein bißchen drüber. Aber: Die Entwicklung der Argumente hätte er diskurstheoretisch und in »historischer« Abfolge betrachten müssen. Denn für sich genommen (»aus dem Zusammenhang gerissen«) erscheinen die Argumente natürlich krude.
Sie sind deshalb aber noch nicht falsch, da tatsächlich Leute Studiengebühren einführen, die aus ihrer eigenen Vita argumentieren: »Studium lohnt sich; man bekommt danach gut bezahlte Posten« und »warum soll einer, der hinterher die dicke Kohle abgreift, nicht eine Gebühr für die Eintrittskarte dazu zahlen? Zumal sie gemessen am späteren Gewinn lächerlich klein ist!« – Genau diese Leute profitierten von einem gebührenfreien Studium und verdienen die dicke Kohle, haben aber den inzwischen eingetretenen Paradigmenwechsel: Studium »lohnt« sich oft gar nicht mehr, es ist eher die Möglichkeit, einen der wenigen halbwegs bezahlten Jobs (nicht Posten, nicht Ämter!) zu bekommen. Denn ohne sind die Einstiegsmöglichkeiten ins Berufsleben ohnehin mau (nicht lau… okay…).
Ich denke, dass nicht die Studenten die Haupt- und Realschüler »als Geiseln« nehmen, sondern die Gesellschaft dies längst schon entschieden hat. Wer früher einen »anständigen« Hauptschulabschluss hatte, der konnte auch auf »anständige Arbeit« hoffen. Heute wird man mit diesem (inzwischen pseudo-abiturientierten) Abschluss weder Friseurin noch Bäcker, nicht Mechaniker noch Schreiner. Es gibt nämlich einfach keine Stellenausschreibungen mehr für Hauptschüler. Ähnlich verhält es sich bei Realschülern. Büro- und Verwaltungsjobs, für die dieser Schulzweig einst geschaffen wurde (»Realgymnasium«!) werden heute kaum noch unter Abitur vergeben.
Dass die Demo-Studies dieses Argument also bringen, ist einfach nur ein Anschluss-Argument an die ohnehin bereits laufende Diskussion, da man ja nicht einfach »ins Blaue« oder »akademisch« demonstrieren kann.
Daher auch der »patriotische« Strang: Wie kann man dem »Herrscher« kommen, als mit dem Argument, dass ihn die von den Studenten gewünschte Regelung auch nütze? Denn er sitzt schließlich am Hebel, und niemand sonst. Also muss man »ihm« den gewünschten Zustand schmackhaft machen, ebenso wie dem »neutralen« Publikum, das staunend am Straßenrand steht und sehr wohl glaubt, dass Studiengebühren was gutes seien, da (wenigstens hier schon) Leute zur Kasse gebeten würden, die später sicher »die dicke Kohle« abgreifen. Denn das hat »der Herrscher«, die Union in Hessen längst geschafft: Das alte Schmarotzer-Bild der Studenten, die später noch parasitärer auch die Managersessel stürmten, wiederauferstehen zu lassen.
Insofern kämpfen die Studenten gegen einen fast umgedrehten »Klassenkampf«, dessen Takt komischerweise von der Landesregierung vorgegeben wird…