Späßle im ÖPNV
Im örtlichen ÖPNV hängen solche Infoscreens und beflimmern das wartende Volk mit Börsenkursen, Nachrichten in 75 Worten und Werbung aller Art.
Eine Rubrik fällt unter Wellnes, Lifestyle & Gesundheit und erheitert mit (ungewollt oder gewollt?) komischen Effekten den aufmerksamen Beobachter.
Da tickern so Geschichten drüber wie "Ein längerer Ring- als Zeigefinger deutet auf Sportlichkeit hin" – meine Großmutter hielt das für einen Indikator von Altruismus, andere meinen diesen Zusammenhang für Potenz zu kennen; auch Google spuckt hier einiges aus – und schon kann man einige Leute verstohlen ihre Hände vor sich ausstrecken sehen.
Richtig originell war aber die Meldung, dass Gesichtsgymnastik gut gegen Faltenbildung sei. Die Methode war ungefähr so: "Mund öffnen, Lippen über die Zähne stülpen [sic!] und die Mundwinkel nach hinten ziehen". Die Umstehenden grimassierten um die Wette und ließen sich auch von meinem offensichtlichen Grinsen (und mühsam unterdrücktem Lachen) nicht davon abhalten …
(Welt-)Schmerzen
Also ich muss ja sagen, ich mag das. Vor allem die alberne Vorhersage vom Forecastfox (ebenso niedliches wie unnötiges Plugin für FF) – keine Ahnung was für Wetter es sein wird, aber jedenfalls kalt *g*.
Auch jahreszeitgemäßes Wetter finde ich zur Abwechslung mal nicht schlecht. Scheint aber nicht allen so zu gehen. Vorhin im Supermarkt belauscht: "Viel zu kalt ist es", wetter.com schrieb die Tage "Muss das sein? Doch noch Winter". Aber am Vortag sich noch entsetzlich drüber mokiert, dass dieser Wintersturm, dieser Kyrill, doch nur auf den Klimawechsel zurückzuführen sei – was von der Frankfurter Rundschau ambivalent betitelt wird: Laut dem WWF sei das ein "Vorgeschmack auf [das] Klima der Zukunft" gewesen, laut einem Herrn Lux vom DWD hingegen "Kein eindeutiger Vorbote des Klimawandels". In den Artikeln dann wieder traute Eintracht, der Dezember war jedenfalls mal viel zu warm. Wohltuend aber auch Luxs Anmerkung, dass die vielzitierten und theatralisch vermissten weißen Weihnachten für Deutschland sowieso nie die Regel waren. Sowas muss auch noch ab und zu mal gesagt werden.
Anyway, jetzt macht der Winter entfernt das, was er soll, und schon ist es auch wieder keinem Recht.
Perfekt im vergesslichen Katastrophentenor auch wie immer der SpOn, in der windigen Nacht mit einem "Ticker" und Klimahysterie an allen Ecken präsentiert man kurz drauf einen ziemlich direkt übernommenen Artikel, wieviel Geld man mit einem Wechsel des Stromanbieters doch sparen kann – natürlich kein Gedanke an Ökostromanbieter, von denen man emissionsarmen bis gänzlich -freien Strom beziehen könnte, zumal doch eigentlich grade alle auf der Klimakatastrophe reiten und das mit dem Sturm im Rücken auch dürfen. Wenn schon das "Verbraucherportal" nicht soweit denkt, hätte es doch wenigstens der Spiegel tun können, ach welch Utopie.
So jetzt noch schnell weg vom Wetter.
In Frankfurt am Main wird demnäxt ein neuer OB gewählt. Das bedeutet natürlich Wahlkampf an allen Ecken. Die Besetzung des rechten Randes sieht sich wohl schon durch die gelebte Demokratie gefährdet und hängt ihre Plakate sehr hoch (was auch nicht immer was nützt, aber davon hab ich kein Bild zur Hand) an Laternen- und anderen Masten auf. Glücklich diejenigen, die die so aus dem allgemeinen Blickfeld gerückten Plakate gleich ganz übersehen *g*-
Für die anderen stellt sich dann aber voller Bosheit (und ganz leise der Frage nach der geistigen Gesundheit derer, die für sowas verantwortlich sind – aber andererseits stellt sich diese Frage ja da rechts außen sowieso nicht) die Frage, ist das, was auf diesen NPD-Plakaten zu sehen ist, das wofür oder wogegen geworben wird?
Verschämt versteckt
im Fuilleton der Netzeitung findet sich ein ganz interessanter Artikel zu Bildungssystemen hier und anderswo.
Schade, dass den praktisch keiner lesen wird. Wirklich schade.
Populismus oder glauben die ihren eigenen Worten?
Verfasst von asynchron unter Killerspiele am 2007/01/10
Nach dem soundsovielten Amoklauf und dem soundsovielten Vorstoss wurde es jetzt "endlich" Wirklichkeit. Man hat klar erkannt, was das Problem verursacht, wie seine Facetten geartet sind, wie den Vielschichtigkeiten zu begegnen ist. Der Wurzel allen Übels soll mit allem Nachdruck, aller Schärfe und allem Elan der Garaus gemacht werden: Killerspiele sollen in Deutschland verboten werden (heise online).
(Im Forum zum Beitrag übrigens ein netter Link zu einem bezogenen Blog.)
Die ganze Zeit bin ich dabei einfach unentschlossen, worüber ich entsetzter sein soll: Über die Hartnäckigkeit, mit der vorhandene alternative Erklärungsansätze, angefangen bei den eigenen Abschiedsbriefen der Täter, beiseite gelassen werden, oder über diejenige, mit der fundierte Einwände durch eigenes Zusammenreimen ersetzt wird (da gab ’s doch auch so einen Politiker und Killerspieleexperten, der von Zersägen von Jungfrauen salbaderte, und gleich noch eine Art Konditionierung "Knopf -> Arm ab" herbeiimprovisierte …).
Dabei wurde zuletzt sogar in Mainstreammedien einer Kapazität der forensischen Psychologie das Wort gewährt, dem Profiler Dr. Jens Hoffmann. Da gab es entzückend schnoddrige Statements wie z.B. "aber die Innenministerien hätten die Forscher abgewimmelt. ‚Die glauben, Gewalt falle vom Himmel.’". Wortwörtlich wird da doch tatsächlich in einer ganz normalen Tageszeitung (nämlich der Frankfurter Rundschau vom 19.12.06, Artikel online leider nicht mehr verfügbar) geschrieben, "Letzterem [dem Fan von Killerspielen] gar mit einem restriktiven Gesetz beikommen zu wollen, hält der Psychologe für ‚völlig grotesk‘." Und: "Die ganze Zeit über gebe es Momente, an denen sich ablesen lasse, dass etwas schief geht, glauben die Darmstädter Psychologen. […] Man müsse lernen, so etwas ernst zu nehmen." – Wohlgemerkt war das nur ein Artikel von einigen, die mir da zu dem Thema auffielen.
Es gibt also schon noch Hoffnung und es sitzt doch noch nicht jeder der Propaganda auf, es gebe eine *schnipp*-und-weg-Lösung. Allerdings: Was dann daraus wird, wenn sogar noch mehrschichtig beleuchtet wird, was Gründe, Hintergründe und Ursachen sein können, ist ein wahres Lehrstück in Sachen angewandte Demokratie. L’état, c’est moi, und weil ich gerade an der Macht bin, werde ich genau das tun, wonach mir schon immer war. Und morgen wird sich wieder verwundert über die Politikverdrossenheit empört. Widerlich.
Besondere Kennzeichen: Verdächtig
Verfasst von asynchron unter Überwachung am 2007/01/08
Ich bin zu langsam derzeit, und wenn ich es gelesen hätte, wäre ich nicht schlagfertig genug gewesen. Chris hat es also gefunden und bebloggt.
Und jetzt sträuben sich mir bei jedem Lesen der Nachricht beim SpOn ein paar Nackenhaare mehr.
"… ließen sie den Zahlungsverkehr aller deutschen Kreditkartenbesitzer daraufhin überprüfen …"
Keine konkreten Verdachtsmomente, keine Anhaltspunkte? Kein Problem! Wir überprüfen alle!
Was ist morgen, gibt ’s dann pauschale Hausdurchsuchungen? Bei allen? Oder wird dann erst nochmal eine Gewöhnungsuntergruppe vorgeschoben, denen man sowieso alles zutraut, Kreditkartenbesitzer z.B.?
"Sämtliche um Auskunft ersuchten Unternehmen der Kreditkartenwirtschaft … gaben die Daten ihrer verdächtigen Kunden preis. …"
Und hier kommt mir dann wirklich das Essen hoch.
Nicht genug damit, dass pauschal alle verdächtigt werden, die eine Kreditkarte haben.
Auch noch nicht genug damit, dass die Kreditkartenfirmen bei der Shice auch noch mitspielen.
Nein!
Die Preisgabe der Daten wird dann beim SpOn damit gerechtfertigt, dass es ja die Daten verdächtiger Kunden waren! Na dann ist ja alles in Ordnung, gell?
Die Fähigkeit, sich noch an die letzten 20 gelesenen Worte zu erinnern, und daran, dass da schlicht alle Besitzer einer Kreditkarte überprüft wurden, wird dem Leser glatt abgesprochen.
Oder ist es schon so ein Kreisschluss, dass wer überprüft wird, auch verdächtig ist?
Im Lawblog ist es auch angekommen, da finden sich schon schöne renitente Ansätze, den Verantwortlichen und Erfüllungsgehilfen immerhin irgendwie mitzuteilen, dass man nicht so recht einverstanden ist.
Ich versuche grade, unter Zuhilfenahme von mehr als zwei Fingern zu erheben, bei welchen Gelegenheiten ich eine Kreditkarte benutze (JA! Ich bin auch SO EINE!). Es gelingt mir nicht. Nur, ob es den Laden stört, wenn ich die kostenlose Dreingabe nicht mehr haben will, ist die andere Frage …
Ganz wonniger Vortrag
von Udo Vetter (–> www.lawblog.de) auf dem 23C3
Die Situation an sich möge an allen vorbeigehen – origineller finde ich dabei den Einblick in Maschen, Auslegungen und Methoden des "Rechts"staates.
Also einfach nur sehenswert.
Realität vs. Nachrichten
Weitestgehend unerwähnt bleiben dieser Tage Vorkommnisse, auf die ich auch erst nach Zuruf stieß. So geht wohl im mexikanischen Staat Oaxaca (westl. von Chiapas) einiges vor sich – nur was, das ist schwer auszumachen.
Unleugbar bleibt wohl nur, dass es bereits unerfreulich viele Tote gibt. Alles andere scheint Ansichtssache. Allerdings in einem Ausmaß, wie es mir noch eher selten auffiel.
Die Deutsche Welle schreibt von Unruhen, die der mexikanische Präsident beenden ließe, von der "Besetzung der Stadt durch gewerkschaftsnahe Aufwiegler" – gemeint ist damit die Asamblea popular de los pueblos de Oaxaca /APPO, über die Wikipedia zu berichten weiß, dass sie sich "als rein friedliche Bewegung" versteht und interessanter noch: "Die internationalen Medien kommentieren überwiegend neutral bis verständnisvoll. […] Deutsche Medien übernehmen jedoch überwiegend die Erklärungen der mexikanischen Regierung." Letzteres erklärt vermutlich einiges.
Randbemerkung: Schon allein im Begriff "gewerkschaftsnahe Aufwiegler" schwingt soviel negative Bewertung mit, dass man meint die Bummelstudenten, Sozialschmarotzer, Gutmenschen und wirklichkeitsfernen Spinner einzeln herauszuhören.
Die Tagesschau beschreibt etwas umfassender, eigentlich sogar recht gut, dafür aber so undurchsichtig, dass der interessierte, aber nicht vorbelastete Leser nicht durchsteigt, was da jetzt passiert sein soll. Man beleuchtet immerhin auch ein klein wenig die diffizile Geschichte der Partei PRI, der der Gouverneur von Oaxaca entstamme. In einem wagemutigen Absatz wird sogar die These aufgestellt, dass der Journalist Brad Will von Polizisten in Zivil getötet worden sei, um den Einsatz der Bundespolizei zu erzwingen. Auch der Absatz glänz aber irgendwie mit Verklausulierung und schwerer Verständlichkeit. Leichter verständlich ist da doch die Aussage des sogar namentlich zitierten (als ob das ein Beweis sei) Bewohners der Stadt: "Ich finde das ausgezeichnet, das die Bundespolizei gekommen ist. Das war nötig, hätte schon längst geschehen sollen. Schauen sie doch, die Leute fühlen sich jetzt viel ruhiger", klärt in dem Bericht aber unterm Strich auch nichts.
Zwischenfrage: Wie fühlt man sich ruhiger?
Bewegt man sich von den ausgetretenen Pfaden weg ins selbstgemachte Web mit selbstgemachten Nachrichten – natürlich meine ich zu vorderst Indymedia! Manchmal unsäglich, mitunter unentbehrlich.
Bei Indymedia also haben die Geschehnisse den Kopf der Seite bekommen und es wimmelt von Updates, Bildern, Filmen, Kommentaren, die weiter verlinken etc. pp. Einer der Links führt einen dann zu Chiapas.ch, wo z.B. auch berichtet wird, dass schon der mexikanische Senat den Gouverneur von Oaxaca aufgefordert habe, zurückzutreten. Schade nur, dass der Senat da nicht viel ausrichten kann.
Mit dem Rücktritt von Gouverneur Ruiz haben der Senat und die gewerkschaftsnahen Aufwiegler aka APPO immerhin ein gemeinsames Ziel. Das ändert so ein bißchen das Licht, das auf die APPO fällt.
Wohlgemerkt: Ich habe keine Ahnung von Mexiko und den dortigen Verhältnissen. Ich bin ein wenig geneigt, einer Nachrichtenrichtung zu glauben, da ich meine Erstinfo auch eher aus der Richtung bekommen habe. Alles andere trage ich mir hier grade so mehr oder weniger querbeet zusammen. Je mehr ich aber so bei der unkontrollierten Suche auffinde, desto weniger habe ich noch die (naive) Hoffnung, dass es offizielle Nachrichten geben könne, die eine Situation unter mehreren Blickwinkeln beleuchten.
Spielt ja aber auch eigentlich keine Rolle, da es wohl eh nicht bis in die breiten Medien vordringt.
(Hinter dem Link unten verbirgt sich eine Online-Demo)
Nachschlag: Telepolis schreibt natürlich auch drüber. Hatte ich glatt übersehen 😉
Rückruf, Facelift, Modellpflege und abschweifende Gedanken
Verfasst von asynchron unter (fuck) economy, Reply am 2006/10/30
aho schreibt da so nett mit Marktvokabular über die Vorfälle rund um das bundesdeutsche Heer, da muss ich aber noch einen draufsetzen.
Mit einem bloßen Rückruf kann es da nicht mehr getan sein, das ganze Modell ist hoffnungslos veraltet und den modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Ein Facelift oder Modellpflege ist das mindeste, was diesem Produkt schnellstens anzugedeihen hat.
Wobei mich an dem Konzept fast noch mehr interessiert, ob die Form der Vermarktung nicht an verbotene Kaltakquise grenzt. Man stelle sich ein Rudel Staubsaugervertreter vor, die mit der Weisung aus der Zentrale der Sauberkeit, mich vom Staube zu befreien, mein Wohnzimmer be… *räusper* … befreien. In Bad und Küche führt Mr.Propper ein strenges Regiment und im Schlafzimmer wachen treusorgende kampferprobte Familienmütter über die rechte Aprilfrische.
In Zeiten von DRM & Co. fügt sich wildes Phantasieren schon fast zu einer Vision zusammen, die endlich alles Weltgeschehen einfach erklärt. Irgendwer produziert da ein Produkt, erklärt es zum absoluten Standard und die zu Feinden des Fortschritts, die es nicht oder zumindest nicht so wollen. Über das Produkt darf auch nicht frei verfügt werden, sondern der Hersteller erlässt genaue Regeln, wer wann wie welchen Nutzen davon haben darf. Jede Umgehung wird geahndet …
Religion vs. Biologie
Verfasst von asynchron unter Bildung, Politix, Verschwörung am 2006/10/09
Aus Groß-Bruder-Land ist man die Meldungen ja inzwischen gewöhnt, dass landstrichweise eher zweifelhafte Lehrpläne an den Schulen verbreitet werden. Die Empörung kommt zwar verhältnismäßig spät – mir sind noch Berichte von Mitschülern im Ohr, die Mitte der 90er von derartiger Lehre erzählten – aber immerhin. Es geht nicht ganz unter und erntet wenigstens hochgezogene Augenbrauen.
Ich bin kein Freund der Kirchen, und erst recht keiner des staatlich-institutionalisierten Religionsunterrichts, und schon gar keiner von pseudo-säkularen Organisationen, die ihr Glaubensbekenntnis noch im Parteinamen vor sich hertragen (man stelle sich nur das Äquivalent und den entsprechenden Aufschrei vor).
Mehr als nur eine hochgezogene Augenbraue hat heute aber der Bericht in der FR bei mir ausgelöst:
Die hessische Kultusministerin Karin Wolff (CDU) plädiert dafür, die christliche Schöpfungslehre an den Schulen auch im Biologieunterricht zu behandeln.
"Ich halte es für sinnvoll, fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen aufzuwerfen", sagte Wolff, "so dass man nicht einfach Schüler in Biologie mit Evolutionslehre konfrontiert und Schüler im Religionsunterricht mit der Schöpfungslehre der Bibel. Sondern dass man auch schaut, ob es Gegensätze oder Konvergenzen gibt."
Soweit zu den hehren Zielen.
Fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen, wer von sowas allein noch träumt, hat irgendeinen Knall nicht gehört. Dazu fehlt nebst Personal schlicht die Zeit. Aber gut, gesetzt den Fall, es sei machbar.
Wie, um Himmels (!) Willen, kommt man mit dem Vorsatz auf die Idee, weltanschauliche Thesen in naturwissenschaftliche Lehrpläne einzubinden. Und die Aufweichung durch dieses "Entweder so – Oder aber auch so" noch als sinnvolle Fragestellungen zu verkaufen.
Ich habe noch nie verstanden, warum konfessioneller Unterricht ins Pflichtprogramm der Schule gehört und nicht in die Kür. Wenn ’s unsere ach so tolle Kultur ist, sollte es ohne die Zwangsunterstützung auskommen. Das aber noch auszuweiten, noch mehr Inhalte – die nun wirklich nichts mit der kulturellen Komponente zu tun haben – in andere Fächer ausstreuen zu wollen – ich kann ’s nicht ändern, mir fehlen die Worte.
1. wetterinduzierter Depressionsanflug
Es ist kalt. Nein nein, ich meine nicht "kühl", oder "frisch" oder "herbstlich", mir ist es rat-ten-kalt. Das hat nur unwesentlich damit zu tun, dass die Heizung hier erst seit zwei Tagen wieder geht, und der amtliche Wind-Chill von 5° trifft es auch nicht.
14,1° am Balkon, gefühlte -12°, amtliche asynchrone Wettermeldung.
Was macht man dann schon an so einem Tag –> mit schlechtem Gewissen bei lauen Temperaturen die Heizungen hochfahren. Erkältung kann ich leider aus Termingründen grade überhaupt nicht brauchen. Dazu statt zu tun was ich müsste einmal mehr in die tiefsten Abgründe des Internets herabsteigen: Nachrichten und Foren.
Und dann: Verzweifeln an der Welt, wo die Blöden so viel zu laut sind, wo Politiker-Nachnamen zu Masseinheiten für Pannen schon längst geworden sind. Neue Umnutzungen: Masseinheiten für dummes Dahergelabere und Inkompetenz.
Verzweifeln an einer (Online-)Welt, wo jeder Furz zum sozial- und damit auch finanzpolitischen Thema aufgeblasen wird, von Forenschreibern mit keinen zwei Dutzend Beiträgen, Fakes also höchstwahrscheinlich.
Wer macht solche Fakes? Die Frage stellt sich, woher sollte soviel geistige Diarrhoe schon kommen? Wer hat es nötig, mit solcher brachialer Übermachtsgewalt "Volkes Stimme" zu simulieren?
Oder begeht hier ein Misanthrop einen antropophilen Irrtum und die Verblendung ist wirklich schon soweit fortgeschritten? Dann Gnade uns allen und Hoffnung darein gesetzt, dass dieses internetbevölkernde Pack mengenmäßig nicht viel hermachen kann.
Ach wie man ’s auch dreht und wendet, die Lage bleibt fatal. Da reift in einem der Drang, beim morgendlichen Bus- und U-Bahn-Fahren kurz vor der Ausstiegsstelle Kurzproklamationen abzuhalten und wider den Medientenor anzupredigen; oder mehr noch … Gesellschaftsguerilla, ja!
Und dazu spu(c)kt mir ein Zitat im Kopf herum, von dem ich nur noch vermute, dass ich es mal in einem Handke fand. "Mir läuft das Wasser im Mund zusammen: Ich sehe eine Leiche," summe dabei fröhlich Zeter und Mordio und hoffe auf die sanfte Wirklichkeit (*)
Hoffentlich ist mir morgen wieder wärmer …
(*) zugegeben, ich hab das als Ganzes während des Schreibens gefunden. Es ist in der Tat Handke und alles aus einem einzigen Gedicht.