Eine Runde Mitleid: Ooooooch


Das letzte SZ-Magazin wirft einen Blick auf den Berufsalltag von Polizisten, insbesondere Bereitschaftspolizisten (via): „Ein Job zum Davonlaufen„.

Da werden erstmal die zwei Polizisten kurz vorgestellt, die aus ihrem Bereitschaftsalltag berichten dürfen. Der eine war bei der Demo letzten Juni in Berlin dabei, der andere im November beim Castor im Wendland. Soviel also zu beschissenen Arbeitsbedingungen.

Nächste Hauptperson: Der Leiter des 2. Stuttgarter Polizeireviers, zuständig u. A. für den inzwischen wohlbekannten Hauptbahnhof. Da wird dann der schon im Teaser nicht so ganz sauber durchdachte Tenor „Früher waren die Fronten klar: links die Demonstranten, rechts Staatsgewalt und Bürgertum“ wieder aufgegriffen:

„Das größte Problem war für ihn und seine Leute, dass sie bei den Demonstrationen auf einmal die Menschen vor sich hatten, von denen sie eigentlich immer glaubten, sie seien auf Seiten der Polizei. Da stand kein autonomer Block, keine alternative Welt – da standen Akademiker, Lehrer, Ärzte, CDU-Wähler.“

Wenn das keine sinnverfälschende Verkürzung ist, ist das alleine schon erheblich bedenklich. Wenn das zur üblichen ‚Ausbildung‘ und Arbeitshaltung von Einsatzkräften gehört, ihnen einzubläuen und verinnerlicht zu haben „Die sind nicht wie ihr, sondern genau soundso und vor allem sind die gegen uns“, dann ist das sowohl ein Armutszeugnis, als auch allein schon Grund genug für jedwede ablehnende Haltung gegenüber Personen, die so ein Schwarz-Weiß-Weltbild mit sich herumtragen. Sowas ist dann ausübendes Organ des staatlichen Gewaltmonopols, omfg.

Weiter im Text, was bedrückt denn noch:

„Das eine ist der schwindende Respekt vor der Amtsperson. Das andere ist der schwindende Respekt vor dem Menschen, der da in der Uniform steckt.“

Tja, wundert ’s denn? Wo die Politik beliebig, verlogen, käuflich und was weiß ich noch alles wird (bzw. schon lange/immer ist), welchen Respekt erwartet dann das ausführende Organ? Und zu dem Menschen – das Spiel heißt: Alle Gegen Alle! Alle werden gegeneinander aufgehetzt, nach Strich und Faden heute die, morgen jene zu Paria erklärt und keiner kann sich sicher sein, nicht morgen selbst dran zu sein. Woher soll dann noch Respekt vor irgendwelchen Menschen kommen?

Als nächstes kommt ein Ex-Polizist und inzwischen promovierter Soziologe zu Wort, der mittlerweile Führungskräfte der Polizei ausbildet. Der beschreibt die Gedanken junger Polizisten so:

„Viele denken: Wir sind die Grenzhüter der Nation, wir bewachen die Grenze zwischen Arm und Reich.“

Schau an! Die Erkenntnis ist ja unerwartet tiefsinnig. Aber diesen Teil zu kapieren und sich dann zu wundern, dass die „sozial Benachteiligten“, wie das unausrottbare Neusprech für arm heute lautet, für die Zaunpatrouille der Bewahrer dieser Zustände keinen Respekt aufbringen kann, ist wieder bemerkenswert kurz gedacht.

Weiter geht es mit einem weiteren Berliner Bereitschaftspolizisten, der drüber klagt, dass seit den Kamerahandys Polizisten immer gefilmt werden, aber:

„»In den Videos ist immer nur der Moment der Festnahme zu sehen, wenn der Kollege zulangt, aber nicht, was davor passiert ist«, sagt er. »Vielleicht müsste man da mit der Zeit gehen und selbst entsprechende Bilder einstellen.«“

Dazu aus einem Kommentar direkt im SZ-Magazin:

„Genau wie es die Polizei mit ihren Videos macht. Alle relevanten Dinge sind geschwaerzt oder rausgeschnitten“

– mehr fällt mir auch nicht dazu ein.

Und die Einführung einer eindeutigen Kennzeichnung – mittels anonymer 5-stelliger Nummer – von Polizisten im Einsatz?

„Die Polizisten wehren sich dagegen. »Für viele Beamte ist das eine Bankrotterklärung«, sagt der Polizeiexperte Rafael Behr, »sie glauben, sie gehören zu den Guten. Aber gekennzeichnet zu werden, das bedeutet ja: kontrolliert zu werden.« Auf einmal sind sie die Bösen.“

Kennzeichnung = Kontrollierbarkeit = die Bösen? Es geht um eine Nummer, nicht um Name, Anschrift und Auszug aus der Dienstakte. Oder sind wir etwa eingeschnappt, weil die Kollegen das Maß so lange überspannt haben, bis jetzt endlich die Rückverfolgbarkeit der Dresche eingeführt werden muss? Dann aber auch auf die Kollegen sauer sein, nicht auf Zivilisten. Und wie heißt es doch immer so schön: Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht zu verstecken, oder?

Und zum Schluß:

„Selbst jemand wie Michael Dandl von der Roten Hilfe, ein Mann, der die Polizei nicht mal ruft, wenn bei ihm eingebrochen wird, findet am Ende Worte, die so etwas wie Mitgefühl ausdrücken: »Polizisten sind oft überfordert, sie sind frustriert, sie werden nicht sonderlich gut bezahlt. Sie müssen an Tagen, an denen alle anderen ihre Freizeit genießen, Schicht schieben, sie sind oft kaserniert, sie unterliegen einem komischen Korpsgeist, es gibt krasse Hierarchisierung, es werden Befehle erteilt. Das ist ein ganz erheblicher Psychodruck.«“

Lasst mich kurz nachdenken. Nein.
Schlechte Bezahlung, Schichtdienst, Kasernierung, Hierarchie, Kommandostruktur – soviel sollte man über den Beruf wissen, wenn man sich entschließt, ihn zu ergreifen.
Schlechte Ausbildung führt zu Überforderung – z.B. wenn das sorgfältig aufgebaute Weltbild auf einmal kollabiert -, und alles zusammen zu Frustration.

Ne, mir geht das Mitgefühl komplett ab. Die Herren und Damen haben den Beruf freiwillig ergriffen und sollen jetzt gefälligst damit klarkommen!

Nochmal aus den Kommentaren beim SZ-Magazin:

„Den diversen Polizeikorps steht es jederzeit zu, gegen unverhältnissmässige, illegale und unfassbar blöde Anordnungen, die die Politik von ihnen verlangt zu protesitieren, die Aufträge nicht zu erfüllen und sogar zu streiken.
Jedem Polizeibeamten steht es jederzeit zu, gegen unverhätlnissmässiges, illegales und brutales Vorgehen seiner Polizeikumpel zu protestieren, diese bem Chef anzuzeigen und Aufträge nicht zu erfüllen.“

Eben.

Wie die Faust aufs Auge passt noch eine späte Pressemeldung zum 1. Mai in Berlin. Ich kann mich an Shirts mit der Aufschrift „Help your local police: Beat yourself up“ erinnern. Aber der Servicegedanke setzt sich anscheinend mittlerweile doch durch und die Freunde und Helfer nehmen einem das inzwischen wieder ab und selbst in die Hand:

„Zwei Angehörige einer Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei haben heute Strafanzeige wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt gegen Angehörige einer anderen Einsatzhundertschaft erstattet. Nach derzeitigem Erkenntnisstand wurden sie am Abend des 1. Mai gegen 22 Uhr 45 in bürgerlicher Kleidung im Bereich des Kottbusser Tores eingesetzt, als sie plötzlich von Pfefferspray getroffen und durch Faustschläge im Gesicht verletzt wurden.
Die beiden Polizisten traten anschließend aufgrund von Augenreizungen und Prellungen vom Dienst ab.
In diesem Zusammenhang sollen weitere sechs Polizeibeamte durch Reizgaseinwirkungen verletzt worden sein. Das Strafermittlungsverfahren wird durch die zuständige Fachdienststelle des Landeskriminalamtes mit Priorität bearbeitet.“

(im Vollzitat, falls die Quelle flöten geht (u.a. via))

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