Es gibt einen weiteren Rekord beim Missbrauch von Hartz IV zu verzeichnen. Nur in der anderen Richtung. Bei den Sozialgerichten gingen im letzten Jahr fast 200.000 Klagen und Rechtsschutzverfahren gegen Hartz IV ein, gut 11% mehr als noch 2008 (FR, Welt, SZ). Auch bei den Landes- und beim Bundessozialgericht stiegen die Fallzahlen an, beim Bundessozialgericht dreht sich mittlerweile ein Viertel der Verfahren um Hartz IV. Immerhin jede dritte Revision vor dem BSG endet mit einem Erfolg für die Versicherten bzw. Leistungsempfänger.
Beklagt werden zumeist die Bedarfsberechnungen der Jobcenter und dabei vor allem die Kosten der Unterkunft.
Ich bin gespannt, ob die B-Zeitung morgen dazu genauso groß aufmacht, wie gestern zur Bekanntgabe der Missbrauchszahlen. Gestern hieß es sinngemäß "So wird abgezockt – neuer Rekord beim Hartz IV-Missbrauch". Nähme mich aber Wunder, wenn morgen drauf stünde "So werden die Schwächsten abgezockt – neuer Klagerekord gegen Hartz IV".
Zur Bekanntgabe der Zahlen gab der Präsident des Bundessozialgerichts Masuch ein paar Kommentare zu den aktuellen Anstrengungen der Politik ab. Generell empfahl er, in den ergangenen Urteilen nachzulesen, wo akuter Verbesserungsbedarf besteht.
Darüberhinaus gab er zu bedenken, gesteigerte Zuverdienstgrenzen zum ALG2 würden die Zahl der Leistungsempfänger massiv erhöhen, da dann mehr Geringverdienende zum Aufstocken berechtigt seien – was meiner Ansicht nach auf eine gewisse Weise noch nicht mal schlecht wäre, um über die finanzielle Wirkung, also das einzige was wirklich weh tut, darauf aufmerksam zu machen, dass Lohndumping und extreme Ausbeutung immer mehr um sich greifen. Allerdings vermutlich nicht gerade das, was die Politik damit bezwecken will.
Weiterhin führt Masuch an, dass einer so oft geforderten "verschärften Arbeitspflicht" sowohl rechtliche Bedenken entgegenstehen, und außerdem die Voraussetzungen nicht bestehen, auch sinnvolle Arbeit anbieten zu können und daher mit "Abwehrreaktionen" gerechnet werden müsse. Schade, dass nicht überliefert ist, was er sich darunter so vorstellt …