ZDF – THC – ohjeh ohjeh


Via Netzpolitik stieß ich auf das Rauschfeature, das im ZDF gelaufen ist. Auf der Seite beim ZDF kriegt man leider nichts mehr aus der Sendung, dafür aber das Video "Gefährlicher Rausch" aus der ZDF-Mediathek.
(Anm.: Mglw. kam das Video auch in der Sendung – kann ich dank spärlicher Angaben nicht nachvollziehen. Schaut man sich das Video jedenfalls an, so ist es für den zdf-infokanal gemacht und läuft dort unter Kultur (Lacher am Rande!))

Ich hab mir das Filmchen mal angetan, aber leider taugte es recht gut zum Laune versauen. Legendenpflege und Schwarzmalerei mit seriös-besorgter Stimme aus dem Off – wir meinen ’s ja nur gut.

Da wird wieder mal die Mär von den ach so starkgezüchteten Cannabispflanzen aufgefahren, die so eine viel größere Gefährdung darstellten als früher in den 60-70ern, als noch alles gut war. Mir gefällt an dieser Argumentation, dass der Cannabiskonsument als solcher offenbar schon vor dem Konsum so verballert ist, dass er keine Dosierungsentscheidung treffen kann, sondern mechanisch-automatisch 0,875 g pro Konsumeinheit verarbeitet, egal was ihm da in die Finger kommt und dann dem Rauscherleben völlig ausgeliefert ist. Haarsträubend.
Cannabisbefürworter argumentieren gern mit der Gefährlichkeit von Alkohol, was ich nicht tun will. Auf den Wirkstoffgehalt passt das aber mal wieder wie die Faust aufs Auge: Der Alkoholkonsument trinkt immer 0,4 l, egal was im Glas ist.

Weitere Unsauberkeiten:

  • Die Pflanzen seien nicht nur auf Wirkstoffgehalt, sondern auch auf Robustheit gezüchtet und gediehen mittlerweile "in jedem Kleiderschrank". Hüstel. Mal ganz abgesehen von natürlich entwickelten, robusten Arten aus Südsibirien sollte man den Unterschied zwischen einem Zucht- und einem Kleiderschrank doch kennen und benennen, wenn man eine seriöse Reportage macht.
  • Ein langsamer Kameraschwenk über diverse Cannabisprodukte – und zwischen getrockneten Pflanzenstengeln und dünnen Haschischplatten liegen ganz unschuldig: Mohnkapseln. Wie bitte?
  • THC krebsförderung und zu Hirnkrankheiten führend? Hätte man vllt. besser erläutern sollen, was dabei gemeint ist.
  • Ein Arzt bringt Konsumerfahrung und Abhängigkeit gefährlich nahe zusammen ("10-15% problematische Konsummuster" … "bis zu 50% sind cannabiserfahren"). Das ist nicht unsauber formuliert, ob es aber beim Rezipienten sauber getrennt wird, ist nicht automatisch gegeben.
  • Auch böse: Ein anderer Arzt sprach von einem Zusammenhang zwischen THC-Gehalt und Begleiterkrankungen (sprich: Psychosen) bei Konsumenten. Aus dem Zusammenhang darf man aber eben grade nicht eine Wirkrichtung (Kausalität) ableiten. Eine Korrelation besagt halt grade nicht, dass das eine das andere bedingt oder umgekehrt.

Ansonsten die üblichen Zutaten für eine Abschreckungsreportage. Reumütige Früh-Twens, die von ihrer verschwendeten Jugend berichten (1), besorgte Ärzte und Betreuer, die die Gefährlichkeit von juvenilem Konsum betonen (2) und zum guten Schluss noch Verkehrskontrollen mit Drogenschnell-Wisch-Tests und zwei exemplarischen Erwischten (3).

Ad 1)
So traurig ein Einzelschicksal sein kann, argumentativ ist es praktisch der Nachweis der Hilflosigkeit. Mit Einzelbeispielen wird nichts bewiesen. Hypothesen kann man nicht belegen, höchstens widerlegen. Dass Cannabis so harmlos sei wie Muttermilch hat aber noch selten einer behauptet.

Ad 2)
Die will auch keiner ernsthaft bestreiten. Es ist nun mal risikoreich, sich in einer (wichtigen) Entwicklungsphase regelmäßig irgendwelchen Psychopharmaka auszusetzen. Kann keiner ernsthaft bestreiten. Belegt aber deswegen nicht die besondere Heimtücke oder Gefährlichkeit von Cannabis.

Ad 3)
Da gab es doch mal den netten kleinen Rummel um Kokain auf Bundestagstoiletten und etwas später fand sich, dass überhaupt praktisch alle Banknoten Kokainspuren tragen. Da sind Anhaftungen am Lenkrad (im Filmbeispiel Kokain, Metamphetamin und Cannabis) eben grade kein Beweis, dass im Auto konsumiert worden sei. Es würde schon gereicht haben, Geld angefasst zu haben; oder zu nächtlicher Zeit am Wochenende auch nicht grade weit hergeholt, in einem Club gewesen zu sein, Türklinken und Handläufe angefasst zu haben.

Zum Schluss betont noch ein dritter Mediziner die Gefährlichkeit mit der Zahl von über 10.000 Cannabiskonsumenten, die innerhalb eines Jahres eine Therapieinrichtung aufgesucht hätten (aufsuchen ist ein weitläufiger Begriff und beinhaltet ja z.B. nicht, dass die Einrichtung auch von allen gesagt haben, dass Therapiebedarf besteht). Vorher wurde im Beitrag die Zahl von 3 Millionen Bundesbürgern genannt, die halbwegs regelmäßig Cannabis konsumieren würden (allerdings kenne ich auch deutlich höhere Schätzungen). 10.000 sind davon 0,3 % …
Nur um eine Relation zu haben komm ich jetzt nochmal mit dem Alkohol. Wenn man davon ausginge, dass jeder Bundesbürger Alkohol trinkt, wäre der Prozentanteil der Alkoholkranken bei 5,4 % (angenommen 80 Mio. Bürger und 4,3 Mio. Alkoholkranke (von hier)). Nachdem es auch Abstinenzler gibt …

Prädikat: Für Interessierte grenzwertig sehenswert, als Information für Laien nicht empfehlenswert.

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